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Bioplastik macht Holzkreisläufe nachhaltiger
Holzreststoffe lassen sich mit innovativen Technologien und mithilfe von Bakterien in nachhaltige Verpackungen aus Bioplastik verwandeln. Bevor sie umweltfreundlich zu CO2 und Wasser abgebaut werden, können sie so ein Produktleben führen, zum Beispiel in der Kosmetikindustrie.
Man nehme: Holzreststoffe und Bakterien, man erhalte: Bioplastik. Ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber im Prinzip ist das der Ansatz von Mikrobiologen um Prof. Dr. Dieter Jendrossek am Institut für Mikrobiologie der Universität Stuttgart. Im BMBF-geförderten Forschungsprojekt „SusPackaging“ suchen sie gemeinsam mit Forschern der Fraunhofer-Gesellschaft einen wirtschaftlich sinnvollen Weg, um aus Holzreststoffen bioabbaubare Biopolymere herzustellen. Sehr interessiert daran sind zum Beispiel Naturkosmetikhersteller. Die Wala Heilmittel GmbH und die WELEDA AG würden entsprechend ihrem ganzheitlichen Ansatz gerne Tuben und Tiegel, Shampooflaschen, Seifen- und Lotionsspender aus nachhaltigem Biokunststoff verwenden. Sie sind deshalb als assoziierte Partner an dem Vorhaben beteiligt. „Im Moment müssen wir allerdings noch einiges an Grundlagen klären, bevor es in die Produktion gehen kann. Wir haben deshalb eine zweite Projektphase beantragt, in der wir unter anderem das Material für einen Probenkörper herstellen wollen“, erklärt Jendrossek. Generell gilt für diese – und auch für denkbare Anwendungen etwa in der Lebensmittelindustrie, dass vor allem mechanisch flexible Materialien gefragt sind, die sich nach ihrer Verwertungsphase auf natürlichem Wege zu CO2 und Wasser abbauen lassen.
Aber der Reihe nach. Ausgangsstoffe sind für die Forscher zunächst Holzreststoffe. Das können zum Beispiel Holzspäne aus einem Sägewerk sein. Sie bestehen wie jegliches Holz vor allem aus Cellulose und Hemicellulose. Daraus gewinnen die Projektpartner am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB durch ein chemisch-enzymatisches Verfahren Roh-Glucose (aus Cellulose) und Roh-Xylose (aus Hemicellulose). „Die flüssigen Substrate enthalten rund 45 Prozent Kohlenhydrate, die von Bakterien als Futterquelle genutzt werden können. Es sind jedoch starke Verunreinigungen und Spurenstoffe in nicht definierter Zusammensetzung enthalten, und das macht den biologischen Prozess so schwierig“, sagt Dr. Felix Becker, Projektmitarbeiter an der Universität Stuttgart. „Die Bakterien wachsen langsamer und liefern weniger Produkt als auf reinen Substraten. Uns geht es jedoch darum, aus schwierigen Substraten in akzeptabler Zeit ein gutes, umweltverträgliches Produkt zu machen“, bringt Jendrossek das Ziel auf den Punkt.
Mikroorgansimen werden an „dreckige“ Substrate gewöhnt
Dafür haben die Stuttgarter Mikrobiologen eine raffinierte Strategie entwickelt: Sie lassen die Evolution für sich arbeiten. Zum Einsatz kommen zwei verschiedene Bakterienarten. Der Rhizobienstamm Ensifer adhaerens wurde ursprünglich aus Bodenproben isoliert und toleriert das unsaubere Substrat etwas besser. Der andere, Paraburkholderia sacchariaus einer deutschen Stammsammlung, liefert dafür eine bessere Ausbeute. Beide wurden über zwei Jahre hinweg langsam an das „schlechte“ Substrat gewöhnt, das in immer höherer Konzentration zugegeben wurde. „Wir haben die Bakterien selektiv vermehrt. Das heißt, wir haben jeweils diejenigen weiterkultiviert, die aufgrund von Mutationen besonders gut in dem unreinen Medium gewachsen sind“, so Becker. Die Bakterien haben eine Generationszeit von zwei bis drei Stunden. Im Laufe von einigen tausend Generationen konnten so Stämme gezüchtet werden, die mit dem unreinen Substrat besonders zurecht kommen.
Den „Proof of Principle“ im Labormaßstab hat das Team also gezeigt. In der nächsten Phase geht es darum, den technologischen Prozess im Reaktor zu optimieren. Im Fokus steht dann auch eine maximale Ausbeute an Biopolymeren. Diese werden als amorphe Polyestertröpfchen in großen Granula in den Bakterienzellen abgelagert. „Unter optimalen Bedingungen bestehen die Bakterien bis zu 80 Prozent aus Polyhydroxyalkanoaten, kurz PHAs. Bei uns sind es zirka 30 bis 40 Prozent“, sagt Becker. Zudem sind insgesamt weniger Zellen pro Liter Nährmedium enthalten, einfach weil die Bakterien hier weniger gut wachsen als ihre Kollegen auf reinem Substrat. Eine effiziente Extraktion und Weiterverarbeitung der PHAs ist deshalb umso wichtiger. Das Fraunhofer-Team um Dr. Anna Lucia Vásquez-Caicedo hat ganz im Sinne der Nachhaltigkeit ein effizientes, lösungsmittelfreies Extraktions- und Aufreinigungsverfahren entwickelt, und auch Produktionsverfahren für PHA-Copolymere stehen inzwischen bereit. Die genannten Bakterien liefern vor allem PHAs mit langkettigen Fettsäuren, und diese machen Biokunststoff sehr weich. Über die Kombination mit kürzerkettigen PHAs können die mechanischen Eigenschaften jedoch gesteuert werden. Als Co-Polymere kommen zum Beispiel Derivate der Polyhydroxybuttersäure (PHB) infrage, die ebenfalls biotechnologisch mithilfe von Bakterien produziert werden können.
Ökonomischer Nutzen hängt von den Rahmenbedingungen ab
Um die PHA-Herstellung wirtschaftlich interessant zu machen, muss jetzt noch das Upscaling der Bakterienproduktion bewältigt werden. Wie ökonomisch das Ganze schlussendlich sein wird, hängt laut Jendrossek stark von den Rahmenbedingungen ab. „Wir haben hier die Möglichkeit, ein gutes Produkt aus Reststoffen der Forstwirtschaft zu erzeugen und stehen damit nicht in Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau. Ob sich das wirtschaftlich durchsetzen kann, ist auch eine Frage des politischen Willens. Es kommt zum Beispiel darauf an, wie zukünftig die Weichen in der Reststoff-Wirtschaft gestellt werden.“ In der umweltgerechten Entsorgung ist Biokunststoff seinem erdölbasierten Pendant haushoch überlegen. PHA-Produkte könnten zum Beispiel geschreddert und kompostiert werden, oder sie könnten in Reaktoren mit technischen Verfahren zu CO2 und Wasser abgebaut werden. Das geht schneller, dürfte aber auch teurer sein. Dennoch: Wenn die Entsorgung von herkömmlichem Plastikmüll aufgrund seiner Umweltproblematik immer aufwändiger und damit teurer wird, kommt früher oder später der Zeitpunkt, an dem sich der Biokunststoff schon allein aufgrund des umweltverträglichen Abbaus rechnet.
Bleibt noch die Frage des Sortierens. Wie sollen biobasierte Kunststoffe überhaupt erkannt und gesammelt werden? Jendrossek könnte sich ein Pfandsystem vorstellen und findet auch Markierungssysteme überlegenswert. „Robotersysteme könnten zum Beispiel über eine entsprechende Farbcodierung relativ einfach Biokunststoffe – und übrigens auch andere Kunststoffarten – erkennen und aussortieren. Technologisch wäre es jedenfalls kein Problem, die Materialien entsprechend zu kennzeichnen.“