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Energiepark & Donau-Silphie: Symbiose zum Wohle der Natur
Biogasanlagen liegen mit ihren nicht-fossilen Brennstoffen im Trend. Im schwäbischen Weiler Hahnennest haben sich vier landwirtschaftliche Familienbetriebe zu einem Energiepark zusammengeschlossen, um eine solche Anlage vor Ort zu betreiben. Dabei ist von der Substratproduktion bis hin zum Verkauf der Energie alles in einer Hand. Aber nicht nur das, auch noch ein zweites Standbein ist daraus entstanden, das die Nachteile, die Biogas durchaus auch hat, kompensieren kann: Anbau, Saatgutproduktion und -vermarktung der Energiepflanze Durchwachsene Silphie.
Ralf Brodmann ist Mitgesellschafter der Metzler & Brodmann Saaten GmbH in der oberschwäbischen Gemeinde Ostrach. Als Quereinsteiger in der Landwirtschaft und ursprünglicher Neuling im Saatguthandel hat er es sich mit seinem Betrieb zur Aufgabe gemacht, die ortseigene Biogasanlage im Energiepark Hahnennest (EPH) mit ökologisch besonders wertvollem Substrat, dem Korbblütler Durchwachsene Silphie, zu versorgen.
Dies allein ist dem findigen Unternehmer aber noch nicht genug: Seit 2015 züchtet, vermehrt und vertreibt seine Firma auch das Saatgut der Energiepflanze inklusive Anbaukonzept unter dem Markennamen Donau-Silphie und macht die ökologisch und energetisch wertvolle Nutzpflanze auch für andere zugänglich. Und dies sehr erfolgreich: 2020 wurden insgesamt schon 6.000 Hektar Silphie in ganz Deutschland und in den europäischen Nachbarländern Ungarn, Frankreich, Italien und der Slowakei gesät und kultiviert. Doch wie kam es dazu?
Mit der eigenen Biogasanlage für vier landwirtschaftliche Betriebe gestartet
Vier große landwirtschaftliche Familienbetriebe aus Hahnennest, einem Dorf mit rund 40 Einwohnern nahe des Bodensees, kamen 2010 auf die Idee, ihre Betriebe mit Energie einer eigenen Biogasanlage vor Ort zu versorgen: „Der Gedanke ist am monatlichen Stammtisch der Landwirte entstanden“, berichtet Brodmann. „Ein erster Plan war es, nur eine ganz einfache Anlage für den Eigenbedarf zu bauen; von Anfang an aber mit einem sehr hohen Anspruch an die Nachhaltigkeit des gesamten Projekts.“
Bei der kleinen Anlage von damals ist es allerdings nicht geblieben: Schon 2011 konnten die vier Betriebsleiter Georg Rauch, Thomas Metzler, Edwin König und Egon Kaltenbach zwei Blockheizkraftwerke in Betrieb nehmen, nur ein weiteres Jahr später wurde die Biogasaufbereitungsanlage fertiggestellt. Heute produziert die Anlage des EPH 1.000 m3 Rohgas pro Stunde – dies entspricht rund 5.500 kW Energie - mehr als genug für die eigenen Betriebe; der Rest wird deshalb auf Erdgasniveau ins Fernwärmenetz eingespeist oder als Strom verkauft. Das Geschäftsmodell der ursprünglichen Biomethangas GmbH, heute Silphienenergie GmbH, ist so gefragt, dass Strom – sofern es „grüner Strom“ ist – an der Börse zugekauft werden muss. „Zugute kam uns dabei auch der Standort direkt an einer großen Gaspipeline“, sagt Brodmann, der nicht nur die Metzler & Brodmann Saaten betreibt, sondern als Schwager von Thomas Metzler auch in den Energiepark involviert ist.
Von Beginn an war es den Gründern des EPH wichtig, den gesamten Arbeitsablauf, beginnend mit der Substratproduktion auf den Feldern bis hin zum Verbrauch bzw. den Verkauf von Gas, Strom und Wärme an den Haushaltsendkunden, in eigener Hand zu haben – einmalig in Baden-Württemberg. Zudem war ein weiteres großes Ziel des Projekts die Suche nach neuen, möglichst umweltschonenden Substraten.
Silphien-Anbau als Familienprojekt
Die Leitkultur für die Biogasproduktion ist bis heute europaweit aufgrund seines hohen Energieertrags der Mais. Und so erfreulich der Boom der erneuerbaren Energien auch sein mag, so sind gerade mit dem schwerpunktmäßigen Anbau von Mais auch Begleiterscheinungen verbunden, die die Umwelt belasten können.
Aus diesem Grund begannen die Landwirte des EPH schon direkt beim Bau ihrer Biogasanlage mit der Suche nach Alternativen zum Mais. Wie so oft, kam ihnen bei diesem Vorhaben der Zufall zur Hilfe: Bereits Jahre zuvor hatte Brodmann bei einem Quartettspiel mit den Töchtern den Korbblütler Durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum L.) entdeckt. „Auf der Karte wurde sie als „Energiepflanze der Zukunft“ bezeichnet, aber deutschlandweit damals auf nur etwa fünf Hektar Ackerland angebaut – also ein echter Exot. Die Sache hat mich aber nicht mehr losgelassen, ich habe mich um Saatgut bemüht und in die Materie eingearbeitet sowie erste Versuche im eigenen Garten gemacht. Schon nach kurzer Zeit war ich überzeugt, dass diese Pflanze etwas für unsere Biogasanlage wäre. So haben wir sie 2012 dann in einer Familienaktion das erste Mal in größerem Stil auf etwa einem Hektar kultiviert. Das war noch sehr unprofessionell. Mit Kind und Kegel haben wir die Setzlinge mit großem Spaß gepflanzt, aber mit enorm großem Aufwand.“
Silphien-Felder in ganz Deutschland und im europäischen Ausland
Die Mühe hat sich jedoch gelohnt: Die erste Kultur zu Testzwecken war so erfolgreich, dass man sich im Folgejahr dazu entschloss, das Projekt Silphie weiter zu verfolgen. Die Pflanze erbringt im ersten Saat- oder Pflanzjahr allerdings noch keine Ernte. Sie bildet nur bodenständige Blätter, und erst ab dem zweiten Standjahr wächst sie mit ihren goldgelben Blüten in eine imposante Höhe von bis zu vier Metern. „Der Ertrag war überwältigend – auch von der Gasqualität her“, sagt der Experte. „Und ab diesem Zeitpunkt wurde uns auch klar, dass diese Energiepflanze zudem auch noch einen enorm positiven Effekt auf das Ökosystem und die Biodiversität hat.“
Dass im ersten Jahr mit der Silphie noch kein Ertrag erwirtschaftet wird, sehen viele Landwirte als Nachteil an. Um dies auszugleichen, säten die Landwirte aus Hahnennest im ersten Jahr Mais über die Silphie. „Diese Symbiose zwischen Mais und unserer Sonnenpflanze hat gut geklappt, und das erste, ertragsfreie Jahr ist abgedeckt so dass sich die Kosten schon von Anfang an rechneten“, so Brodmann.
Seither konnten Brodmann und seine Mitstreiter die Anbaufläche für die Silphie von Jahr zu Jahr ausdehnen: Von den Kollegen bekamen sie so viel Sympathie und Vertrauen, dass die energetische Nutzpflanze zum Geschäftsmodell wurde und mit der Metzler & Brodmann Saaten GmbH Silphien-Saatgut inklusive Anbaukonzept verkaufen. Hierzu brechen der Silphien-Fachmann und seine Kollegen jedes Frühjahr von Hahnennest mit vier mit modernster Technik ausgestatteten Traktoren auf, um in ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland Silphien zu pflanzen. In den knapp 2.000 Euro pro Hektar sind nicht nur Saatgut und Aussaat, sondern auch noch eine Garantie inklusive, dass der Anbau funktioniert. „Man kann die Aussaat auch selbst übernehmen, aber dann geben wir natürlich keine Garantie“, sagt Brodmann.
Nicht nur zur Energiegewinnung: Die Silphie hat Zukunft
Dass die Silphie eine (Energie-) Pflanze mit Zukunft ist, liegt zum einen an ihrem Beitrag zur Gesunderhaltung des Ökosystems: Mit ihren goldgelben Blüten schafft sie als beliebte Insekten- und Bienenweide Lebensräume mit hoher Lebensqualität für Mensch und Tier und ist auch in dieser Hinsicht eine optisch attraktivere Alternative als der Mais. Sie bildet auch unterirdisch sehr viel Biomasse, kommt aber in Dauerkultur trotzdem mit vergleichsweise wenig Pflanzenschutzmaßnahmen aus. Mit ihren tiefen Wurzeln sorgt sie für einen gut durchlüfteten humosen und fruchtbaren Boden, der sehr viel Wasser speichern kann.
Ferner eignet sich die Pflanze nicht nur für Umweltschutz und Energiegewinnung, sondern auch für andere innovative Konzepte, wie die Firma Silphie-Paper in Lenningen beweist: Bei der Papierfabrik wird dieser Tage schon Ökopapier aus Silphie-Fasern aus Hahnennest produziert und für Verpackungsmaterial im Einzelhandel eingesetzt.