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Stadt der Zukunft

FamoS: Klimaschutz an der Fassade

Ein ressourceneffizientes Wassermanagement kombiniert mit Photovoltaik-Modulen bei gleichzeitig innovativer Fassadenbegrünung. Das alles leistet FamoS. Das „Fassadenmodul mit Synergie“ bietet mit der Verbindung bereits bewährter Elemente einen wertvollen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel und zur Klimaresilienz von Städten.

Foto eines gelb-grünen Hauses mit einer vertikalen Klima-Kläranlage, viele grüne Pflanzen enthaltend, an der Hauswand
Visualisierung der vertikalen Klima-Kläranlage an einer Hauswand. © CityArc, Institut für Stadtnatur AG

Urbane Ballungszentren sehen sich durch den Klimawandel und die zunehmende Landflucht zunehmenden Herausforderungen ausgesetzt. So stellen Städte für mehr als drei Viertel der Bevölkerung in Deutschland den Lebensmittelpunkt und Arbeitsplatz dar.1) Prognosen sagen einen weiteren Anstieg des Urbanisierungsgrades voraus.2) Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) werden vor allem diese dicht besiedelten Ballungsräume aufgrund von reduzierten Grünanlagen, versiegelten Flächen und einem geringen Luftaustausch immer öfter mit Belastungsfaktoren wie dem Hitzeinseleffekt, Trockenheit sowie Extremwetterereignissen mit Dürren oder Starkregen und damit einhergehenden Überflutungen konfrontiert.3)

Dabei sind Hitzewellen nicht nur ein Umweltproblem, sondern in erster Linie eine soziale Herausforderung. Neben Sachschäden ist auch mit einer erhöhten Sterblichkeit, insbesondere von alten, kranken und ganz jungen Menschen zu rechnen. Die zunehmende Trockenheit in den vergangenen Jahren führt zusätzlich immer häufiger zu niedrigen Grundwasserständen und damit zu Konflikten in der Trinkwasserversorgung.4) Wie also kann städtischer Wohnraum für die Zukunft attraktiv gestaltet werden, um nicht nur die Bedürfnisse der Bevölkerung, sondern auch die notwendige Klimaanpassung zu berücksichtigen?

Diesen Herausforderungen begegnet das Fassadenmodul mit Synergie (FamoS) und setzt dabei im Gebäudesektor an, welcher im Jahr 2020 einen Anteil von 16 Prozent an den Gesamt-CO2-Emissionen in Deutschland hatte. Da die Bereitstellung von Wärme einen großen Einfluss auf den Energieverbrauch im Gebäudesektor hat, aber auch die Kühlung von Gebäuden einen immer größeren Stellenwert einnimmt, entstand das Forschungsprojekt VertiKKA, das sich diesen Herausforderungen widmete. Über die Förderlinie „Ressourceneffiziente Stadtquartiere“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bildeten neun Partner aus unterschiedlichen Institutionen der Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlichen Einrichtungen ein Projektkonsortium.5,6) Ziel der Forschungen war die Entwicklung eines Fassadenbegrünungsmoduls, welches Grauwasser reinigt und Strom produziert. So entstand FamoS.

Funktionsweise des Fassadenmoduls

Schematische 3D-Konstruktionszeichnung des Fassadenbegrünungsmoduls. In gelb sind Photovoltaikelemente, in blau das Bewässerungssystem und in grün das Begrünungsmodul  zu sehen. Eine kurze Beschreibung der jeweiligen Elemente ist jeweils in einem  entsprechend farbig umrandeten Textfeld zu sehen.
Modell des multifunktionalen Fassadenbegrünungsmodul (in gelb: Photovoltaikelemente, blau: Bewässerungssystem, grün: Begrünungsmodul). © Björnsen Beratende Ingenieure GmbH

Das Fassadenmodul mit Synergie verbindet drei Komponenten: Photovoltaik (PV), Fassadenbegrünung und ein Bewässerungskonzept. Angetrieben von der Stromerzeugung der vorgelagerten semitransparenten PV-Module, wird leicht verschmutztes, aber nährstoffhaltiges Grauwasser aus Haushalten (Abwasser der Waschmaschine, Dusche und Handwaschbecken) in das Fassadenbegrünungsmodul geleitet. Hier übernehmen die Pflanzen eine Reinigung des Grauwassers, welches anschließend wieder im Garten zur Bewässerung oder im Haus für die Toilettenspülung eingesetzt werden kann. Als Reinigungssubstrat kommt unter anderem Pflanzenkohle zum Einsatz. „Hier haben sich pyrolysierte Getreidespelzen mit ihrer Reinigungsfunktion und ihrem Potenzial zur Speicherung von Kohlenstoffen, Nährstoffen und Wasser, als besonders geeignet herausgestellt“, so Dr. Susanne Veser, Vorsitzende des Fachverbands Pflanzenkohle e.V. und Entwicklerin bei der aus dem Projekt gegründeten SynerCity GmbH.

„Anders als in gängigen Verfahren, in denen die Vorreinigung des Grauwassers durch Pflanzen als Vorstufe zentral am Boden erfolgt und erst dann die Zuleitung zur klassischen Fassadenbegrünung stattfindet, haben wir den Weg gewählt, die Pflanzenkläranlage auch direkt als Fassadenbegrünung einzusetzen und diese als eigenes System entwickelt“, sagt Kilian Lingen, Experte für Fassadenbegrünung vom CityArc, Institut für Stadtnatur AG.

Durch die ungewöhnliche Situation, der Nutzung des Grauwassers zur Bewässerung, ergeben sich hohe Anforderungen an die Pflanzen, und es kann dabei nicht auf das herkömmliche Spektrum an Pflanzen zur Begrünung zurückgegriffen werden. Die Wahl fiel auf robuste Pflanzen wie Arten von Bergenia und Geranium, Taglilien (Hemerocalis), Seggen (Carex), Purpurglöckchen (Heuchera) sowie Sumpf-Vergissmeinnicht (Myosotis scorpioides). Diese müssen eine große Amplitude von Standortfaktoren wie z. B. Nährstoff- und Salzgehalt, aber auch große Temperaturschwankungen und -extreme aushalten können.

Die Animation zeigt den Kreislauf des Grauwassers in einem Haus mit installiertem Fassadenbegrünungsmodul
Grauwasserkreislauf an einem Haus mit installiertem FamoS. © Björnsen Beratende Ingenieure GmbH

Synergieeffekte als Alleinstellungsmerkmal

Schematische Abbildung einer Stadt mit grauen Gebäudefassaden, die mit Fassadenbegrünungmosdule bestückt sind. Deren Photovoltaikelemente sind gelb, das Bewässerungssystem blau und das Begrünungsmodul grün gefärbt. Die positiven Effekte der Fassadenbegrünung auf die Stadt sind mit farbig umrandeten Textfeldern abgebildet. Die Farbe der Kontur zeigt an, auf welches Element der Fassadenbegrünung, der positive Effekt zurückzuführen ist .
Die positiven Auswirkungen von FamoS in urbanen Ballungszentren (in gelb: Photovoltaikelemente, blau: Bewässerungssystem, grün: Begrünungsmodul). © Björnsen Beratende Ingenieure GmbH

Die drei Komponenten von FamoS begünstigen sich gegenseitig. Während die semitransparenten Photovoltaik-Module die Pflanzen vor extremer Sonneneinstrahlung und Witterung schützen, erhöht die durch die Pflanzen entstehende Verdunstungskälte den Wirkungsgrad der Module. Der hierbei erzeugte Ökostrom dient als Energiequelle für den Selbstbedarf der Anlage oder kann ins öffentliche Netz eingespeist werden. Die Fassadenbegrünung klärt das vorgereinigte Grauwasser und spart somit die wertvolle Ressource Trinkwasser, recycelt Nährstoffe und entlastet gleichzeitig Kläranlagen. Das System kann als Puffer bei Starkregenereignissen wirken, indem es Regenwasser zwischenspeichert und später gedrosselt wieder abgibt.

Die Vegetation kühlt nicht nur die Innenräume und schützt Fassadenbauteile vor extremen Wetterbedingungen, sie sorgt auch für eine verbesserte Wärmedämmung und minimiert dadurch den Energieverlust des Gebäudes. Die Pflanzen beeinflussen auch ihre direkte Umgebung, indem sie für eine Verbesserung der Luftqualität und eine geringere Feinstaubbelastung sorgen, Schall reflektieren, Lärm reduzieren und durch Verschattung und Verdunstung einen Einfluss auf das städtische Mikroklima nehmen und eine kühlende Wirkung auf urbane Hitzeinseln haben. Begrünte Fassaden steigern die Lebensqualität durch eine ästhetische Aufwertung des urbanen Raumes, fördern die Biodiversität und dienen einer nachhaltigen Klimaanpassung von Städten durch die Steigerung von Energie-, Flächen- und Ressourceneffizienz.

Klimaschutz zum Anfassen

Vom 14. April bis 8. Oktober 2023 wird das Funktionsprinzip des FamoS auf der Bundesgartenschau in Mannheim erstmals einem größeren Publikum gezeigt. Auf der Fläche des Beitrags zur Bioökonomie können die Besucherinnen und Besucher an einem Demonstrationsmodul nicht nur die Gläser der PV-Module anfassen, sondern genau studieren, wie eine wandgebundene Fassade aufgebaut ist und diese mit einem Grauwasserreinigungsmodul kombiniert wurde. Sie erfahren mehr über die zahlreichen Synergieeffekte der Anlage und lernen den Beitrag zur Bioökonomie kennen.

Hintergrund

Das auf drei Jahre angelegte Projekt „VertiKKA – Vertikale KlimaKlärAnlage zur Steigerung der Ressourceneffizienz und Lebensqualität in urbanen Räumen“ wurde über die Projektlinie „Ressourceneffiziente Stadtquartiere für die Zukunft (RES:Z)“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der FONA-Strategie (Forschung für Nachhaltigkeit) gefördert. Das Projekt endete am 31. Mai 2022.

Folgende Partner arbeiteten unter der Projektleitung des Ingenieursbüros Björnsen Beratende Ingenieure GmbH in einem interdisziplinären Team zusammen:

Technische Universität Chemnitz (TUC), Bauhaus-Universität Weimar (BUW), Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), Stadt Köln – Koordinationsstelle Klimaschutz, Stadtentwässerungsbetriebe Köln AöR (StEB Köln), Institut für Automation und Kommunikation (ifak e. V.), Photovoltaik-Institut Berlin AG (PI Berlin) sowie Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES gGmbH).

Das Folgeprojekt „VertiKKA2 – Umsetzung, Monitoring und Weiterentwicklung der vertikalen Klima-Klär-Anlage“ startete im Juli 2022 und wird über eine Laufzeit von zwei Jahren ebenfalls vom BMBF gefördert. Wieder unter der Projektleitung von Björnsen Beratende Ingenieure GmbH sind folgende Partner beteiligt:

Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES gGmbH), Institut für Automation und Kommunikation (ifak e.V.), Solyco Technology GmbH, Bauhaus-Universität Weimar (BUW).

Literatur:

1) Statista (2023): „Urbanisierungsgrad: Anteil der Stadtbewohner an der Gesamtbevölkerung in Deutschland in den Jahren von 2000 bis 2021". https://de.statista.com/statistik/daten/studie/662560/umfrage/urbanisierung-in-deutschland/#professional

2) Ibisworld (2021):„Urbanisierungsgrad". https://www.ibisworld.com/de/bed/urbanisierungsgrad/158/

3) Deutscher Wetterdienst (2012): „Auswertung regionaler Klimaprojektionen für Deutschland hinsichtlich der Änderung des Extremverhaltens von Temperatur, Niederschlag und Windgeschwindigkeit". https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaforschung/klimaprojektionen/extremereignisse/abschlussbericht-2012.pdf?__blob=publicationFile&v=1

4) https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/kwra2021_teilbericht_5_cluster_wirtschaft_gesundheit_bf_211027_0.pdf

5) RES:Z: https://ressourceneffiziente-stadtquartiere.de

6) Korrespondenz Abwasser, Abfall (2019): „VertiKKA - Multifunktionale Fassadenbegrünungsmodule für die Städte der Zukunft". https://ressourceneffiziente-stadtquartiere.de/wp-content/uploads/2020/01/2019_66_Nr12_Korrespondenz_Abwasser_Abfall___2019_VertiKKA.pdf

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/famos-klimaschutz-der-fassade