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Insektenpasta: Sich gesund ernähren und dabei die Welt verbessern
Insekten auf dem Teller? Da winken manche gleich ab. Zu Unrecht, denn in Sachen Tierwohl, ökologischem Fußabdruck und gesunder Ernährung stehen Insektenlebensmittel wesentlich besser da als alle anderen tierischen Nahrungsmittel und werden kontrollierter erzeugt als so manches Steak oder Würstchen. Dass sie auch richtig gut schmecken können, beweist das Start-up Beneto Foods aus Albstadt, das proteinreiche Pasta in verschiedenen Geschmacksrichtungen aus Grillenmehl entwickelt hat.
Insekten als fester Bestandteil der menschlichen Nahrung haben eine lange Tradition: Wie auf Höhlenmalereien zu sehen, wurden diese schon in der Steinzeit verzehrt. Nun kann man natürlich argumentieren, dass man damals, um zu überleben, nicht besonders wählerisch sein durfte. Jedoch gehören Insekten auch heutzutage für 2 Mrd. Menschen in vielen Ländern der Welt ganz selbstverständlich zu den Grundnahrungsmitteln, so in Ländern in Afrika, Südamerika, Asien und Australien.1) Insekten nicht zu essen, ist also lediglich Teil unserer westlichen Kultur. Und dies sollte man in Zukunft gut überdenken.
Die Gründe? Erstens ganz egoistisch: Sie sind äußerst wertvolle Nahrungsmittel mit hohen Anteilen an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen. Zweitens kommt diese Ernährungsweise auch der Tierzucht zugute: Als wechselwarme Schwarmlebewesen, die sich gerne mit Artgenossen auf engstem Raum zusammenfinden, können Insekten artgerecht sowie ohne Hormone und Antibiotika kultiviert werden – kein Vergleich mit der meist nicht artgerechten konventionellen Massentierhaltung von Säugern. Und drittens lassen sie sich mit einem wesentlich geringeren ökologischen Fußabdruck erzeugen als andere tierische Lebensmittel: Eine Insektenfarm benötigt vergleichsweise rund 2.000-mal weniger Wasser und 200-mal weniger Platz als die Viehzucht bei gleichzeitig 100-mal weniger CO2-Emissionen. Werden dabei auch noch anfallende Reststoffe zur Fütterung – etwa trockenes Brot aus Bäckereien, verschiedene Presskuchen oder Safttrester - und Abwärme zum Betrieb der Farm genutzt, ist dies im Sinne einer Kreislaufwirtschaft äußerst klimaneutral, zukünftig kosteneffizient und steht nicht in Konkurrenz zur menschlichen Ernährung.
Jeder isst Insekten – freiwillig oder unfreiwillig
Bleibt aber trotzdem der Ekelfaktor mancher Menschen, denn sie haben vermutlich noch das traditionelle Bild der Tiere als Schädlinge im Kopf. Sie könnte aber überzeugen, dass Speiseinsekten in Deutschland kontrolliert und unter sehr hohen Qualitätsstandards erzeugt und nur nach strenger Sicherheitsprüfung durch die EU als Nahrungsmittel zugelassen werden, so etwa bislang Mehl- und Buffalowurm (Larven des Mehlkäfers und des Glänzendschwarzen Getreideschimmelkäfers), die Wanderheuschrecke oder Hausgrille. Außerdem ist vielen von uns wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass wir unfreiwillig sowieso schon eine ganze Menge Insekten mit der Nahrung zu uns nehmen – mehrere 100 g pro Jahr, besonders viel mit Kaffee, Schokolade, Mehl oder manchen Sorten Tiefkühlgemüse und gefärbten Nahrungsmitteln. Aus diesem Grund hat die amerikanische Lebensmittelüberwachungsbehörde FDA bereits vor einiger Zeit einen gesetzlichen Maximalwert an erlaubten Insektenmengen für Lebensmittel festgelegt.2)
Viele Pluspunkte also, wie auch Lara Schuhwerk fand, die vor vier Jahren das Insektenlebensmittel-Start-up Beneto Foods praktisch direkt aus dem Hörsaal gründete. Die damalige Studentin an der EDHEC Business School in Frankreich, die selbst früher vegan lebte, erarbeitete in ihrer Masterarbeit den kompletten Businessplan zur Herstellung und Vermarktung von Insektennudeln. Zunächst einmal nur fiktiv, doch die „Insect Lady“, wie sie schnell von Mitstudierenden genannt wurde, war so fasziniert von der Idee, dass sie diese in die Praxis umsetzte: Bereits wenige Monate nach dem Studium meldete sie im schwäbischen Albstadt das Einzelunternehmen an.
Corona bremst den Höhenflug - zunächst
Wesentlich schwieriger erwies sich die Suche nach geeigneten Mitstreitern. Kommilitoninnen und Kommilitonen, die gerne mit dabei gewesen wären, hätten in Deutschland keine Arbeitserlaubnis erhalten. „Und im süddeutschen Raum fand ich einfach keine Mitgründer. So stand ich vor der Wahl: Gehe ich lieber doch den sichereren, klassischen Karriereweg? Oder gehe ich den Weg alleine?“, berichtet Schuhwerk. „Dann hätte ich mich aber vermutlich immer gefragt, was passiert wäre, wenn ich es doch gewagt hätte. Und dies gab mit den Ausschlag dafür, dass ich mich auf das Risiko eingelassen und das ganz alleine durchgezogen habe.“
Glücklicherweise, denn die Insektennudeln der Beneto Foods sind heute ein voller Erfolg. Doch der Weg dorthin war steinig. „Für ihre Idee arbeitete die Gründerin tagsüber zwölf Stunden am Schreibtisch im Gang der Technologiewerkstatt Albstadt und kellnerte abends, um sich den Traum von der Selbstständigkeit zu erfüllen. Bereits ein Jahr nach der Gründung verkaufte sie ihre ersten 250 kg Insektenpasta – alleine finanziert. Diese Charge war bereits nach drei Monaten restlos ausverkauft. Um die 2. Charge produzieren zu können, startete Schuhwerk eine Crowdfunding-Kampagne. Mit großem Erfolg, denn das Funding-Ziel wurde um 200 Prozent übertroffen. Um ihre Idee zu skalieren, brauchte sie aber noch weiteres Investment. Dies fand die Wirtschaftswissenschaftlerin im Mai 2020 mit dem Engagement von Formel 1-Weltmeister Nico Rosberg in der Höhle der Löwen. Doch die Corona-Pandemie stoppte den Höhenflug des Start-ups – aber nur vorübergehend.
„Wir haben drei Monate lang null Umsatz gemacht, und ich musste mich schweren Herzens von meinen beiden gerade erst eingestellten Mitarbeiterinnen trennen“, so Schuhwerk. Sie nutzte die Zeit zur Optimierung und Skalierung, gründete nach zwölf Monaten EXIST-Gründerstipendium Anfang 2021 die Tochterfirma Beneto Farm UG und startete mit einem Verpackungsrelaunch neu durch. Derzeit wird die Pasta in zwei Sorten über den Onlineshop der Firma vermarktet. „Zwar bekam ich schon viele Angebote des Lebensmitteleinzelhandels, habe mich aber dagegen entschieden, weil Insektenlebensmittel momentan noch nicht massenmarkttauglich sind“, so die Gründerin. „Da müssen wir erst noch ein paar Hausaufgaben machen, z. B. den Preis drücken und weiter an der Sensorik arbeiten.“
Pasta in mehreren Sorten – von Hand gefertigt und mit regionalen Zutaten
Die Insektenpasta in Form von Fusili mit einem Proteingehalt von 40 Prozent wird in Handarbeit in einer Manufaktur in Süddeutschland hergestellt. Neben dem Mehl der Hausgrille sind weitere Zutaten Biogemüse und Getreide. Außer „Nudeln natur” gibt es die Pasta auch mit Tomatengeschmack: „Ich dachte, dann haben manche vielleicht weniger Hemmungen zu probieren“, so Schuhwerk.
Dabei war es ihr von Anfang an wichtig, die Lieferketten kurz zu halten. Die Grillen stammen deshalb seit Neuestem aus Schnürpflingen nahe Ulm, der Dinkel aus Horb. Eine eigene Zuchtanlage ist im Aufbau. Dies soll Deutschlands erste vollautomatisierte Grillenfarm werden – kosteneffizient und klimaneutral. „Wir wollen die Grillen hier unter höchsten Qualitätsstandards selbst produzieren, damit der Kunde weiß, woher die Tiere stammen, und womit sie gefüttert werden“, erklärt die Firmenchefin. „Die Grillen vermehren sich exponentiell, wenn es ihnen gutgeht. Das ist uns enorm wichtig. Wir betrachten die Insekten als Nutztiere – ganz und gar nicht als Schädlinge - und möchten Tierwohlkriterien einführen. Damit wollen wir ganz bewusst ein Zeichen setzen vor dem Hintergrund der fragwürdigen Massenhaltung von Säugetieren.“
Im Herbst dieses Jahres soll der Prototyp an den Start gehen, mit der Gründung einer groß angelegten Farm rechnet man in fünf bis sechs Jahren. Bis dahin soll die Zucht in modularer Containerbauweise betrieben werden und als regionales Upcycling z. B. an Biogasanlagen angeschlossen werden können. Einen Pilotpartner hierfür gibt es schon. „Wir liebäugeln auch mit der Kooperation mit einer Hühnerfarm“, verrät sie. „Da gäbe es noch den weiteren Pluspunkt, damit das Soja auszumerzen. Eine Roadmap dafür soll es bis Ende des Jahres geben.“
Außerdem möchte Beneto die Produktpalette um den Snackbereich erweitern – eine Brotbackmischung gibt es bereits. Hierfür werden derzeit Studien an der Universität Hohenheim durchgeführt. Ein weiterer Schritt hin zum „Guten für uns und für den Planeten“, wie Schuhwerk es nennt.
Literatur:
1) Food and Agriculture Organization oft he United Nations (FAO): Der Beitrag von Insekten zu Nahrungssicherung, Lebensunterhalt und Umwelt. https://www.fao.org/3/i3264g/i3264g.pdf
2) Food Defect Levels Handbook https://www.fda.gov/food/ingredients-additives-gras-packaging-guidance-documents-regulatory-information/food-defect-levels-handbook