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Kaffeekapseln: Holz statt Aluminium
Alleine in Deutschland werden jährlich etwa drei Milliarden Einweg-Kaffeekapseln aus Aluminium oder Plastik verkauft. Ein gigantisches Müllproblem, denn die Kapseln haben nur einen geringen Recyclinganteil. Eine Lösung können seit Kurzem vollständig kompostierbare Kaffeekapseln aus Holz sein, die mit allen gängigen Nespresso®-Maschinen kompatibel sind. Entwickelt hat sie das Start-up rezemo, das auch noch andere biobasierte Verpackungslösungen in der Pipeline hat.
Mit viel Werbung und George Clooney wurde sie vor gut zehn Jahren bekannt gemacht: die bunte Kaffeekapsel aus Aluminium mit einer Einmal-Portion des Heißgetränks in den verschiedensten Geschmacksrichtungen. Seither kamen Portionskaffee-Systeme wie Nespresso®, Tassimo® oder Cafissimo® immer mehr in Mode. Dabei werden praktische Kaffeepads oder – kapseln eingesetzt, die bereits fertig portioniert sind und die Zubereitung innerhalb kürzester Zeit bei sehr einfacher Bedienung ermöglichen. Während sich allerdings die guten alten Kaffeefilter aus Filterkaffeemaschinen problemlos kompostieren lassen, können die Kaffeekapseln kaum recycelt werden und sind daher eine große Belastung für die Umwelt. Und dies in gigantischen Mengen: Die Kaffeehersteller selbst schätzen, dass weltweit pro Minute etwa 12.300 Tassen Alu-Kapsel-Kaffee getrunken werden, wodurch alleine bei uns in Deutschland jährlich rund 8.000 Tonnen Verpackungsmaterial anfällt.
Die Idee kommt aus der Fußbodenindustrie
Vor diesem Hintergrund machten es sich zwei junge Wirtschaftsingenieure aus Stuttgart - Julian Reitze und Stefan Zender – zum Anliegen, eine umweltverträgliche Alternative zu entwickeln. „Damals in unserer Studenten-WG haben wir ziemlich viele Kaffeekapseln verbraucht, das hat uns zunehmend beschäftigt, dass solche Einwegverpackungen – wie auch Joghurtbecher und so weiter – doch eine große Umweltbelastung sind“, berichtet Reitze. „Wir haben dann angefangen, nach Alternativen zu recherchieren, sind aber nicht so recht fündig geworden. Es gibt zwar Lösungen, die als ökologisch deklariert werden; diese beinhalten aber trotzdem klassische Kunststoffe.“ So fingen die beiden damaligen Studenten an, sich in die Materie einzuarbeiten und sich mit potenziellen Materialgattungen aus vollständig nachwachsenden Ausgangsmaterialien zu beschäftigen.
Sie wurden fündig und gründeten 2016 die Firma rezemo GmbH, die mit mittlerweile neun Mitarbeitern ihren Firmensitz in Waiblingen hat. „Nach vielen Versuchen sind wir auf Holzverbundstoffe gestoßen“, sagt der Firmengründer. „Die Idee stammt aus der Fußbodenindustrie, wo Holzfasern mit PVC stabilisiert werden, ist aber grundlegend neu in der Verpackungsbranche - dazu auch noch für den Lebensmittelkontakt.“ Dabei musste sich das Material nicht nur für Lebensmittel eignen, sondern auch so dünnwandig und in der Herstellung effizient sein, dass eine größere Produktion lohnenswert würde. Nach monatelanger Grundlagenforschung in Kooperation mit dem Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF der Universität Stuttgart und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA sowie dem Bau zahlreicher Demonstrationswerkzeuge und Prototypenmaschinen konnten diese Vorgaben tatsächlich erfüllt werden. Die beiden Ingenieure hatten eine völlig neuartige Generation an Kaffeekapseln aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt.
Kapseln aus heimischem Holz plus Pflanzenstärke
Als Holzkomponente verwendet das Start-up Hobelspäne, die als Reststoffe in Sägewerken der Schwäbischen Alb anfallen. Diese sind völlig unbehandelt und müssen nicht erst chemisch aufbereitet werden, sondern werden direkt in ihrer natürlichen Form eingesetzt. Das Material wird strikt überwacht, ist zertifiziert und generell auch direkt als Lebensmittelzusatz – etwa in Joghurt – geeignet. Um die Kapseln zu stabilisieren, erwies sich ein Biokunststoff als Bindemittel besonders geeignet: Polylactat (PLA) aus Pflanzenstärke, das eine Matrix für die Holzspäne aus den heimischen Wäldern bildet. Beide Materialien werden im Spritzgussverfahren in Standardmaschinen erhitzt und unter hohem Druck in speziellen Werkzeugen in Form gebracht. Damit ist die Kaffeekapsel aus Waiblingen zu 100 Prozent biobasiert und darüber hinaus auch wieder vollständig und ohne Reststoffe abbaubar.
Der Kaffee in der Holzverpackung stammt aus fairem und, wann immer möglich, aus ökologischem Anbau und wird von lokalen Röstereien aus der Region verarbeitet. Bei den Kunden komme das Produkt gut an, sagt Reitze: „Wir liefern die Kapseln leer an einen Dienstleister, wo sie befüllt werden. Verschlossen werden die Kapseln mit einem dünnen Zellulosedeckel aus ähnlichem Material wie Filterpapier. Man kann sie dann entweder über unseren Onlineshop oder in ausgewählten Feinkostläden und Supermärkten kaufen; eine Kapsel kostet je nach Sorte zwischen 42 und 46 Cent. Wir sind aber kein Discount-Produkt. Das Feedback, das wir bekommen, ist aber sehr positiv. Das klassische Konservendenken lässt eben bei vielen Menschen auch nach, und man sucht nach Alternativen.“
Weitere biobasierte Produkte in der Entwicklung
Die rezemo-Kaffeekapseln haben mit neun Monaten ein wenig geringeres Mindesthaltbarkeitsdatum als die Originalkapseln aus Aluminium, passen aber in alle gängigen Nespresso®-Maschinen für Privathaushalte. Ein weiterer, kleiner Unterschied sei es, dass sich die Kaffeemaschine mit den Holzkapseln unter Umständen etwas schwerer schließen lässt, so Reitze: „Man muss vielleicht etwas fester drücken, das bringt aber keine Nachteile im Komfort, und die Maschine nimmt dadurch auch keinen Schaden, das haben wir mit vielen Tausend unserer Kapseln getestet.“ Vergleichbare Konkurrenzprodukte gäbe es noch keine, meint der Firmengründer: „Bisher gibt es keine andere zufriedenstellende Lösung, die ohne klassisches Plastik auskommt. Manche Kapseln tragen zwar ein Kompostierbarkeitslabel, das ist aber eigentlich nicht korrekt, wenn die Produkte zu 30 Prozent aus fossilem Kunststoff bestehen. Im Moment sind wir der Marktführer, wenn es um eine saubere Lösung geht.“
Derzeit ist man bei rezemo auf der Suche nach weiteren, ähnlichen Lösungen für Einwegverpackungen. „Wir überlegen, ob man damit auch andere Plattformen bedienen kann“, berichtet Reitze. „Tests laufen schon, und wir rechnen damit, dass wir bereits in diesem Jahr etwas Ähnliches für den Kosmetikbereich vorstellen können.“