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KoalAplan: Kommunales Abwasser als Quelle für Wertstoffe
In unserem Abwasser stecken nicht nur Schmutz und Ausscheidungen, sondern es ist ebenso reich an Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor, die zurückgewonnen werden können. Die Kläranlage kann somit zur Rohstoffquelle werden. Im Projekt KoalAplan soll mit einer neuartigen Bioraffinerie der aus dem Abwasser gewonnene Kohlenstoff in nachhaltige Produkte umgesetzt werden.
Mithilfe bioinspirierter Verfahren in modularen Bioraffinerien wertvolle Rohstoffe aus Abfall und Abwasser zurückzugewinnen und diese in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zurückzuführen – darum geht es im EFRE-Förderprogramm „Bioökonomie – Bio-Ab-Cycling“. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg fördert zusammen mit dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) innerhalb des Programms fünf Projekte mit insgesamt 19 Mio. Euro, die in Pilotanlagen unter realen Bedingungen Erfahrungen sammeln und zeigen sollen, was großtechnisch realisiert werden kann. Unternehmen sollen auf diese Weise für die Potenziale von bioökonomischen Strategien sensibilisiert und motiviert werden, den Verbrauch fossiler Rohstoffe zu reduzieren oder zu ersetzen, um damit eventuelle Kosten zu sparen und neue Produkte zu vermarkten.
KoalAplan: Recycling von Kohlenstoff und Stickstoff
Kommunales Abwasser ist reich an Rohstoffen, deren Rückgewinnung einen positiven Beitrag zur Klimaneutralität leistet, da die erhaltenen Produkte erdölbasierte Rohstoffe ersetzen und zudem weniger klimaschädliche Gase entstehen. Das Projekt KoalAplan erweitert den Funktionsumfang des Lehr- und Forschungsklärwerks Büsnau der Universität Stuttgart um die Möglichkeit zur Gewinnung von Wertstoffen und wird mit insgesamt 2,3 Mio. Euro gefördert.
Prof. Dr. Harald Horn, Leiter der DVWG-Forschungsstelle (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfachs e.V.) am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie KIT und Koordinator des Projekts KoalAplan, möchte zeigen, dass es mit biologischen und technischen Verfahren möglich ist, aus Abwasser Stickstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff zu gewinnen, um daraus Produkte wie Dünger und Biokunststoff herzustellen. KoalAplan soll dabei vor allem auf den Kohlenstoff fokussieren. „Für mich ist es eine Chance zu zeigen, dass die Abwasserreinigung in Deutschland zumindest eine Option haben kann, mit dem organischen Kohlenstoff anders als bisher umzugehen und eine Wertschöpfung zu erreichen“, sagt er. Normalerweise entsteht aus dem organischen Kohlenstoff beim Durchlaufen eines Klärwerks Biomasse und klimarelevantes Kohlendioxid (CO2). Eine stoffliche Nutzung wäre demnach deutlich nachhaltiger. Ein weiteres Ziel des Projekts ist die Rückgewinnung von Ammonium aus dem partikelfreien Hauptstrom des Abwassers. Langfristig soll eine großtechnische Umsetzung des Pilotprojekts erfolgen.
Bioraffinerie Büsnau als Reallabor
Die Universität Stuttgart betreibt direkt am Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Abfallwirtschaft in Büsnau ein kommunales Klärwerk für die Forschung zur Abwasserbehandlung, wobei das Werk gleichzeitig die Abwässer von 10.000 Einwohnern eines Stadtteils behandelt. Ein Teilstrom dieses kommunalen Abwassers wird durch die Pilotanlage geleitet. Diese wird derzeit aufgebaut und soll in einem Jahr erste Ergebnisse liefern. Eine Schwierigkeit wird sein, den organischen Kohlenstoff in einer ausreichend hohen Konzentration anzureichern, sodass eine Wertschöpfung möglich ist. „Durch die Wassermenge, mit der wir unsere Abwässer in der Schwemmkanalisation transportieren, liegen die Stoffe sehr stark verdünnt vor“, erklärt Horn. „Diese Voraussetzung ist sehr ungünstig für das Rückgewinnen von Wertstoffen.“
Ein weiteres Dilemma liegt in der Stickstoffentfernung aus dem Abwasser, da hierfür der organische Kohlenstoff gebraucht wird, den man tatsächlich selbst als Wertstoff in der Bioraffinerie gewinnen möchte. Die biologische Stickstoffentfernung im Klärwerk geschieht normalerweise über verschiedene Mikroorganismen, von denen die Gruppe der Nitrifikanten zunächst Ammonium mithilfe von Luftsauerstoff zu Nitrat oxidiert, welches von der Gruppe der Denitrifikanten mithilfe des organischen Kohlenstoffs als Reduktionsmittel letztlich zu gasförmigem Stickstoff (N2) reduziert wird, der ungenutzt in die Atmosphäre entweicht. Also untersuchen die Forschenden in Büsnau, wie die Denitrifikation umgangen und sich gleichzeitig der organische Kohlenstoff gezielt aus dem Abwasser ausschleusen lässt. „Beim Kohlenstoff kommen wir an unsere Grenzen, da er zum größten Teil partikulär, also als Feststoff, vorliegt“, meint der Chemieingenieur. Hier ist nun die Verfahrenstechnik der ausschlaggebende Faktor.
Mikrosieb als Herzstück des Projekts
Bei der Vorklärung (1) findet zunächst eine mechanische Reinigung statt, bei der grobe Stoffe abgefangen werden, die in unseren Toiletten landen (siehe Verfahrensfließbild). Hier wird auch bereits ein Drittel des organischen Kohlenstoffs abgetrennt. Danach wird ein Mikrosieb (2) als zusätzliche Komponente für die neue Bioraffinerie im Nebenstrom zum Einsatz gebracht. Dies ist das Kernstück der Idee des KoalAplans. Dieses Sieb trennt ein weiteres Drittel des partikulären Kohlenstoffs ab, indem es sehr feine Partikel zurückhält. „Dann haben wir ihn sehr konzentriert vorliegen und sind bei Konzentrationen im Gramm pro Liter-Bereich, die durchaus in der Biotechnologie Verwendung finden“, sagt Horn.
Der nächste Prozessschritt in der Bioraffinerie ist die saure Hydrolyse (3), in der die abgezweigten organischen Kohlenstoffverbindungen durch Mikroorganismen in organische Säuren aufgespalten werden. Diese Säuren sind wesentlich höherwertige Produkte als beispielsweise Methan, welches aktuell in Kläranlagen aus dem organischen Kohlenstoff in Faultürmen entsteht und mit Gasmotoren in Strom umgewandelt wird. „Die organischen Säuren sind Grundbausteine für verschiedenste Produkte“, so Horn.
Das an organischen Säuren reiche Hydrolysat wird daraufhin durch eine Filtrationseinheit (4) und eine Mikrofiltration (5) geführt und in einem neuartigen Reaktorsystem der mikrobiellen Elektrolyse (6) unterzogen. „Wir sehen für KoalAPlan zwei weitere Funktionsschritte vor“, sagt der Forscher, „In einem produzieren wir in der mikrobiellen Elektrolyse Wasserstoff, wobei der dabei benötigte Strom von der Stoffumsetzung selbst käme.“ In dem bioelektrochemischen System zersetzen Mikroorganismen an der Anode die Säuren zu CO2 und Elektronen, gleichzeitig wird an der Kathode mit den produzierten Protonen Biowasserstoff gebildet. Dieser kann als Energieträger oder Synthesegas eingesetzt werden. Die verbleibenden organischen Säuren werden in einen Fermenter (7) geleitet, wo sie wiederum von Mikroorganismen zu Polyhydroxyalkanoat (PHA) umgewandelt werden, einem sehr festen, abbaubaren Biopolymer, für das verschiedene Anwendungen denkbar sind. „Ein sehr attraktiver Ersatz für Kunststoffe, die auf Erdölbasis gewonnen werden“, meint Horn.
Um nun den Stickstoff ohne Zutun des Kohlenstoffs zu entfernen und auch ihn noch in ein sinnvolles Produkt zu verwandeln, wird das Ammonium im Hauptstrom nach der Mikrosiebung direkt in einen Zeolithfilter (8) geleitet, der als Ionentauscher fungiert. Hier wird das Ammonium entfernt, ohne biologisch umgesetzt zu werden. Mit Regeneration des Filters wird das Ammonium zurückgewonnen und ist direkt als Dünger im Landbau einsetzbar. Weiterhin geht das Abwasser im Hauptstrom den Weg, wie er in einer traditionellen Kläranlage üblich ist. Über den Schwachlast-Tropfkörper (9), um verbleibenden Stickstoff und Kohlenstoff abzubauen, zum Nachklärbecken (10); optional über eine Aktivkohlefiltration (11) bis zur anaeroben Schlammbehandlung (12), in der alle anfallenden Schlämme landen und Methan gewonnen wird.
Anlage kann in einem Jahr in Betrieb gehen
Das Projekt KoalAplan läuft von Ende Oktober 2021 bis April 2024, der Zeitplan ist eng. Einige Komponenten sind bereits aufgebaut und funktionieren, andere, etwa der 100-Liter-Reaktor für die mikrobielle Elektrolyse, brauchen länger in der Umsetzung, da es sie so noch nicht gibt und sie in der Werkstatt des Engler-Bunte-Instituts gefertigt werden müssen. Auch die Machbarkeitsstudie zur Verwendung des gewonnenen Wasserstoffs steht noch aus, ebenso die Bewertung des Stromverbrauchs der Anlage. Es muss geprüft werden, ob der CO2-Fußabdruck im Vergleich zu einer herkömmlichen Kläranlage tatsächlich besser ausfällt. „Das alles muss noch passieren, um zu entscheiden, ob es ein Prozess für die Zukunft ist“, sagt Horn, aber er sei zuversichtlich.
weitere Projektpartner:
Neben dem DVGW sind weitere Partner: die Universität Stuttgart (Lehr- und Forschungsklärwerk), die Technische Universität Hamburg, das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB), die Technische Universität Clausthal (Bewertung CO2-Abdruck) und die Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz in BW sowie die University of Southhampton (externer Berater)