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Linsenreinigung in der Altdorfer Mühle
In der Altdorfer Mühle, knapp 7 km südlich von Böblingen, werden seit 2019 Linsen gereinigt. Damals hatte gerade die Sessler Mühle im 20 km weiter nördlich gelegenen Renningen den gesamten Betrieb und damit auch die Linsenreinigung eingestellt. Nach mehreren Anfragen von Landwirten und umliegenden Mühlen haben es die Brüder Karl und Jörg Ruthardt gewagt und zusätzlich zu Mühlenbetrieb und Hofladen die Linsenreinigung übernommen.
Die Linse ist eine krautige Pflanze, die je nach Sorte bis zu 50 cm hoch wird. Alleine angebaut, legt sie sich gerne um, vor allem wenn es stark regnet. Das erschwert die Ernte und erhöht das Risiko für Pilzkrankheiten. Daher wird die Linse meist zusammen mit Stützfrüchten angebaut, von denen sie nach der Ernte wieder aufwendig getrennt werden muss.
In der Region werden hauptsächlich grüne Linsen nach Le Puy-Art angebaut. Gestützt werden die Pflanzen von Hafer oder Leindotter. Die Bauern bringen ihre Ernte zunächst zur BayWa Agrar Heimerdingen, 30 km nördlich von Böblingen. Dort wird gewogen und getrocknet, eine grobe Siebreinigung gemacht und die Ernte zwischengelagert. “Dafür haben wir bei uns nicht genügend Platz“, sagt Karl Ruthardt. Bei der Siebreinigung werden Stroh, Sand und Ackerreste entfernt. Am Ihinger Hof in Renningen, einer Versuchsstation der Universität Hohenheim, werden Hafer und Linsen dann grob voneinander getrennt. Alle weiteren Reinigungsschritte laufen in Altdorf ab, und auch die Linsen-Leindotter-Ernte wird dort mithilfe von Sieben separiert.
Linsen durchlaufen mehrere Reinigungsschritte
Anschließend werden die Linsen in einer Siebmaschine von groben Verschmutzungen wie Steinen gereinigt. Im nächsten Schritt wandern die Linsen in den Trieur. Dieser trennt Rundes von Länglichem. Er besteht aus einer Blechtrommel, in der innen Vertiefungen eingearbeitet sind, in die die runden Linsenkörner ganz hineinpassen, längliche Verunreinigungen wie Hafer oder Unkrautsamen formbedingt nicht ganz. Dreht sich die Trommel, verbleiben die verschiedenen Körnersorten unterschiedlich lang in den Vertiefungen, bevor sie herausfallen und können so an unterschiedlichen Stellen gesammelt werden.
Danach trennt der Gewichts- und Steinausleser Schweres von Leichtem. Die Maschine besteht aus einer schräg stehenden Platte, aus der Luft strömt. Die Linsen mit Verunreinigungen werden durch den Luftstrom zum Schweben gebracht und ordnen sich dabei entsprechend ihres Gewichts an: Schweres sinkt nach unten, Leichtes wandert nach oben. Da die Platte gleichzeitig noch rüttelt, wandern die schweren Teilchen bergauf, und die leichten fließen über die schweren Teilchen bergab. Die Rüttelplatte hat verschiedene Abgänge und trennt Linsen, Klein- und Bruchkorn, Unkrautsamen, Steine, Erdbrocken sowie Spelzen voneinander.
Farbausleser pustet unerwünschte Körner aus
Im letzten Reinigungsschritt werden die Linsen durch den sogenannten Farbausleser geschickt. Im Computer wird eingestellt, welche Körnerfarbe nicht erwünscht ist und aussortiert werden muss. Die Linsen mit Verunreinigungen werden auf einer Rutsche vereinzelt. Am Ende der Rutsche werden sie im freien Fall von Kameras farblich analysiert und Unerwünschtes blitzschnell ausgepustet. So können schlechte Linsen, Steine, Erdbrocken, Unkrautsamen, Klein- und Bruchkörner sowie Leindotter oder Hafer aussortiert werden.
Wie oft einzelne Reinigungsschritte wiederholt werden müssen, hängt von der Qualität der Ernte ab. „Die Reinigung ist nicht einfach“, gesteht Ruthardt, „wir lernen jedes Jahr dazu.“ Die benötigten Maschinen waren eigentlich schon da, sie werden auch für die Getreidereinigung genutzt. Es musste lediglich in andere Siebe oder Trieurmäntel investiert werden.
Die gereinigten Linsen werden direkt verpackt. Im Jahr 2020 waren es 20 t. Manche Landwirte vermarkten die Linsen dann selbst, andere nicht. Sie melden vorab an, wie viel sie wieder zurücknehmen. Der Linsenbruch wird zu Mehl vermahlen. Allerdings sucht Ruthardt dafür noch Abnehmer. Wegen der grünen Farbe sei das nicht ganz einfach. Die Fraktion „Bruch mit Resthafer“ wird zu Schweinefutter vermahlen. Beim gereinigten Hafer wird die sehr gute Fraktion zu Haferflocken verarbeitet, die Fraktion mit Restlinsen wird auch in der Tierhaltung verfüttert. Die Leindottersamen werden in der Ölmühle zu Leindotteröl gepresst. „Wäre der Absatz des Öls größer, könnten mehr Linsen mit Leindotter angebaut werden, was wesentlich einfacher zu trennen und zu reinigen ist als Linsen und Hafer“, erklärt Ruthardt. Leindotteröl hat einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren und wird als Speiseöl, in der Hautpflege, aber auch im technischen Bereich eingesetzt.
12. Generation Müller in Folge
Die Altdorfer Mühle wurde im Jahr 1487 das 1. Mal urkundlich erwähnt, 1935 kaufte sie Hans Straub, Ruthardts Großvater mütterlicherseits. Es ist eine traditionelle Mehlmühle. „Mein Bruder und ich sind die 12. Generation Müller in Folge“, erzählt Ruthardt stolz. Getreide aus einem Umkreis von bis zu 25 km wird hier zu Mehl vermahlen. „Nur Roggen gibt es zu wenig in Baden-Württemberg“, sagt er. „Den kaufen wir in Ostdeutschland, Polen und Tschechien.“
Neben Linsen und Mehl vertreibt die Altdorfer Mühle weitere Produkte. Insgesamt umfasst das Sortiment über 400 Artikel, vor allem aus dem Naturkostbereich. Darunter sind Nüsse, Haferflocken, Müsli, Trockenfrüchte, Bohnen, Buchweizen oder alte Getreidesorten wie Emmer, Einkorn und Waldstaudenroggen. Auch individuelle Backmischungen für Brot und Kuchen werden zusammengestellt. Die Altdorfer Mühle setzt - wo immer möglich - auf regionale Lieferanten, „Exotisches“ wie Sultaninen oder Sesam werden importiert. Vertrieben werden die Produkte über den mühleneigenen Laden, regionale Supermärkte sowie Großhändler.
Um den Linsenanbau zu stärken, haben sich einige der Landwirte, die in der Altdorfer Mühle ihre Linsen reinigen lassen, auch an den Feldversuchen im Projekt „Rhizo-Linse“ beteiligt. Ziel des Projekts ist es, die Stickstoffversorgung der Linsenpflanzen auf natürliche Weise zu verbessern und das bioökonomische Potenzial im Linsenanbau zu identifizieren. Die Zukunft der Linsen sieht Ruthardt positiv. Der Verbrauch habe zugenommen. „Linsen werden trotzdem immer eine Nische bleiben, aber eine interessante Nische.“
Das Projekt wird von März 2019 bis Anfang 2022 im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP-AGRI) mit einer Summe von 655.500 € vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg gefördert.