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Mikroplastik aus Wasser nachhaltig entfernen und wiederverwerten
Wir alle verschmutzen unser Wasser mit den Dingen unseres Alltags - ob wir wollen oder nicht. Dabei sammeln sich Mikroplastik und Mikroschadstoffe in teils erheblichen Ausmaßen an und sind nur schwer wieder zu entfernen. Mit zunehmend verheerenden Folgen für Umwelt und Gesundheit. Das gemeinnützige Start-up Wasser 3.0 aus Karlsruhe hat dem den Kampf angesagt und ein Verfahren entwickelt, um diese Verschmutzungen maßgeschneidert aufzuspüren, zu entfernen und anschließend sogar wiederverwerten zu können.
Normalerweise denken wir nicht viel darüber nach: sauberes Wasser ist dank Kläranlagen völlig normal für uns in Deutschland. Zunehmend erzeugen Industrie und Haushalte mehr und mehr Verunreinigungen, die schwer aufzuspüren – geschweige denn zu entfernen – sind, darunter auch: Mikroplastik und Mikroschadstoffe.
Bei Ersterem handelt es sich um kleinste Kunststoffteilchen von weniger als fünf Millimetern Größe, die durch viele Produkte und Gewohnheiten unseres Alltags in die Umwelt gelangen, etwa aus Plastikmüll, durch Wäschewaschen, Reifenabrieb beim Autofahren, beim Zähneputzen oder Duschen oder auch beim Fußballspielen auf Kunstrasensportplätzen – die Liste lässt sich noch beliebig verlängern. Noch schwieriger zu fassen sind Mikroschadstoffe, denn sie sind im Wasser gelöst, beispielsweise Arzneimittel, Medikamentenrückstände, die Ewigkeitschemikalien PFAS (Per- und Polyfluorierte Alkylverbindungen) oder auch Pestizide.
Diese Verschmutzungen – allen voran Mikroplastik - sind als globales Umweltproblem im öffentlichen Bewusstsein mittlerweile zwar fest verankert. Gesetzliche Regulationen wurden jedoch bisher ausschließlich diskutiert, aber weder verabschiedet noch umgesetzt. Bleibt derzeit also nur die Möglichkeit, das eingebrachte Mikroplastik wieder zu entfernen. Besser gesagt als getan, denn Wasser von Mikroplastik zu befreien, stellt Wissenschaft und Industrie vor enorme Herausforderungen. Deshalb entwickelt das Green Tech Start-up Wasser 3.0 aus Karlsruhe bereits seit einigen Jahren effiziente, kostengünstige und kreislaufwirtschaftliche Lösungen, um Mikroplastik in (Ab-)Wässern zu detektieren sowie anschließend zu entfernen und wiederzuverwerten.
Green Chemistry entfernt Mikroplastik
Erfinderin und Geschäftsführerin des Unternehmens ist Dr. Katrin Schuhen, promovierte Chemikerin und ehemalige Juniorprofessorin für Organische und Ökologische Chemie. Bereits seit über zehn Jahren erforscht und entwickelt sie mit ihrem Team auf Green Chemistry basierende Hybridkieselgele zur (Ab-)Wasserreinigung. Dabei handelt es sich um Hightech-Materialkompositionen, die von den Expertinnen und Experten bereits erfolgreich in der Praxis eingesetzt werden. Ein mitentwickelter fluoreszenzbasierter Schnelltest für Mikroplastik erlaubt es bereits im Vorfeld, Prozesse individuell aufzusetzen, zu steuern und Entfernungseffizienzen zu bestimmen.
„#detect|remove|reuse“ nennt das Start-up seine Strategie im Kampf gegen Mikroplastik. Zu den ersten Anwendern gehören kunststoffproduzierende, -verarbeitende und -recycelnde Unternehmen. Zusätzlich zur Mikroplastikentfernung werden Prozesschemikalien und -wässer mit gewünschtem pH-Wert und Temperatur zurückgewonnen oder Abwässer mikroplastikfrei und CSB-reduziert ausgeleitet (CSB steht für: Chemischer Sauerstoffbedarf und ist ein theoretischer Wert, der angibt, wie viel Sauerstoff nötig wäre, um alle Schadstoffe abzubauen).
Viel mehr als "nur" Technologie und Anwendung
Neben der Weiterentwicklung und Skalierung ihrer Technologie sind Bildung und Forschung rund um Mikroplastik ein weiterer Schwerpunkt von Wasser 3.0, das kein klassisches Technologie-Start-up ist: Die gemeinnützige GmbH steht für Wasser ohne Mikroplastik und Mikroschadstoffe im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Das heißt, Gewinne werden zu 100 Prozent wieder in Forschungs- und Bildungsprojekte investiert, wie beispielsweise der digital-reale Bildungsraum WASoMI (WASser ohne Mikroplastik) zeigt, der allen Interessierten kosten- und werbungsfrei offensteht. Aber auch in weiteren Lernprojekten setzen die Verantwortlichen auf eine Strategie der Wissensvermittlung in kleinen Einheiten von wenigen Minuten, dem Microlearning, in Form von Texten, Videos, Animationen oder Grafiken.
Im Bereich Wissenschaft und Forschung werden aktuell in fünf Projekten verschiedene Aspekte zu Wasser ohne Mikroplastik erarbeitet, zum Beispiel wie viel Mikroplastik beim Waschen entsteht oder während des Sports aus synthetischer Funktionskleidung in die Umwelt abgegeben wird. Hierfür steht dem Wasser-3.0-Team zusätzlich zu den Büroräumen in Karlsruhe ein firmeneigenes Forschungszentrum mit Servicelab und Testcenter auf dem Gelände der Kläranlage Landau zur Verfügung. Dort können unter anderem technologieübergreifende Prozessbewertungen, Validierungen und Machbarkeitsstudien durchgeführt werden.
Behandeltes Mikroplastik schwimmt wie Popcorn auf dem Wasser
Der Name des Start-ups – Wasser 3.0 – steht für die Arbeit mit drei chemischen Konzepten zur Entfernung der drei großen Schadstoffklassen, also von anorganischen, organischen und Mikroplastik-Verunreinigungen aus Wässern mit dem Ziel: null Schadstoffe. Dies funktioniert nach einem einfachen Prinzip, der Clump-und-Skim-Technologie („Verklumpen und Abschöpfen“). Dabei werden dem verschmutzten Wasser gesundheitlich unbedenkliche Hybridkieselgele zugegeben. Diese Siliziumverbindungen mit organischem Anteil verklumpen durch Umrühren mit Mikroplastik und Mikroschadstoffen zu popcornartigen Klumpen – Mikroplastikagglomeraten –, die an die Wasseroberfläche schwimmen und dort je nach Größe entweder mit einem Skimmer oder grobporigen Filtern abgeschöpft werden. Nebenprodukte entstehen nicht. Die Klumpen aus Mikroplastik, die durch die Behandlung mit Hybridkieselgel als eine Art Kleber entstehen, können recycelt werden und beispielsweise als Ersatzstoffe für Dämm- und Baumaterialien zum Einsatz kommen. Weitere Produktanwendungen werden derzeit evaluiert.
Die Technologie – Wasser 3.0 PE-X® –, mit denen das Team bei der Abwasserbehandlung vorgeht, betrachtet jedes Abwasser und jeden Prozess individuell und wird von Fall zu Fall angepasst. Dies ermöglicht es, passgenaue Lösungen nach Kriterien der Kreislaufwirtschaft und nachhaltigem Prozessdesign aufzusetzen und diese somit immer im höchsten Maße an der ökologisch-sozialen und ökonomischen Effizienz auszurichten. Der Lösungsprozess startet immer mit einer eingehenden Analyse der Gesamtschadstofffracht (IST-Analyse) anhand bereits vorhandener oder neu zu erhebender Daten. Je nach identifizierter Belastungsart, -menge und Fragestellung können die Hybridkieselgele und auch der Prozess entsprechend angepasst werden. Dabei hat das Unternehmen die klare Zielsetzung, im Bereich Mikroplastik mehr als 95 Prozent und bei Mikroschadstoffen mehr als 80 Prozent der Schadstofffracht reproduzierbar zu reduzieren.
Der Erfolg gibt dem jungen Unternehmen recht: Die Idee wurde bereits mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet, beispielsweise mit dem Landes-Innovationspreis Baden-Württemberg 2022, dem Next Economy Award der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis 2022 oder dem Aqua Tech Innovation Award 2021.