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ProteinDistillery GmbH

Mit Mikroorganismen zur nachhaltigen Proteinquelle

Hefe begleitet die Ernährung der Menschheit schon seit Jahrtausenden. Die ProteinDistillery GmbH will nun mit Bierhefe den Markt der umweltfreundlichen Proteinlieferanten revolutionieren und so die Eiweißversorgung der Zukunft sichern.

Wie kann die Gesellschaft nachhaltig und vegan mit Proteinen versorgt werden? Diese Frage stellte sich Christoph Pitter nach dem Abschluss seines Masterstudiums. Denn Treibhausgase, die in der Viehhaltung entstehen, machten 2020 etwa 5 Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands und ca. 61,6 Prozent der Emissionen der Landwirtschaft der Bundesrepublik aus.1) Da die Weltbevölkerung weiter wächst, braucht es neue Ideen und Innovationen, um sie nachhaltig und bezahlbar auf Basis von Alternativen zu tierischen Lebensmitteln wie Milch, Ei oder Fleisch mit Proteinen zu versorgen. „Aktuell nutzen alle Hersteller alternativer Lebensmittel pflanzliche Proteine, um tierische zu ersetzen“, erklärt Pitter, CEO der ProteinDistillery. „Doch die pflanzlichen Proteine haben nicht die passenden Eigenschaften, um die tierischen Proteine wirklich ersetzen zu können. Häufig sind die texturgebenden Eigenschaften mangelhaft, müssen durch Zusatzstoffe kompensiert werden und der unangenehme Nachgeschmack überdeckt. „Wir glauben, um eine Umstellung unserer Ernährung zu erreichen, müssen vegane Alternativen in der Lage sein, alle relevanten Aspekte von tierischen Produkten zu ersetzen, ohne auf Zusatzstoffe zurückzugreifen. ProteinDistillery kann die richtigen Proteine für diesen Zweck herstellen und skaliert derzeit seine Technologie für die Massenproduktion.“

Aus Saccha wird die ProteinDistillery GmbH

Drei Männer in weißen Hemden stehen nebeneinander vor einer grauen Backsteinwand. Die beiden Herren rechts auf dem Bild haben einen Bart.
Das Team der ProteinDistillery (v.l.n.r.): Dr.-Ing. Tomas Kurz, Christoph Pitter, Michael Baunach. © ProteinDistillery GmbH

Um hier eine Kehrtwende zu erreichen, gründete Christoph Pitter gemeinsam mit seinem Studienkollegen Michael Baunach das Unternehmen Saccha, das an den Gattungsnamen der Hefen Saccharomyces erinnert. Seit Ende 2021 firmiert das Biotechunternehmen unter neuem Namen: ProteinDistillery GmbH. Das Start-up bietet ein neues Verfahren, mit dem Bierhefe als schmackhafte Proteinquelle erschlossen werden kann.

Bierhefe fällt in vielen Brauereien als Nebenstrom an und wird, laut Pitter, in der Regel in der Massentierhaltung als Futtermittel eingesetzt. „Wir haben ein Verfahren entwickelt, mit dem wir die zahlreichen natürlichen Proteine aus der Bierhefe gewinnen können. Dabei bleiben sie in ihrem natürlichen Zustand erhalten und haben dadurch auch alle Eigenschaften wie man sie von einem hochwertigen tierischen Protein, z. B. aus dem Ei, kennt. Das Protein wird hart, wenn man es kocht, und wenn man es aufschlägt, gibt es einen schönen Schaum. Und genau das sind die Eigenschaften, die die Kunden suchen“, sagt Pitter, der nach seinem Bachelor in Biotechnologie an der Hochschule Esslingen noch einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen gemacht hat.

Mit Blick auf den Klimawandel seien Mikroorganismen eine sehr effiziente Möglichkeit, Proteine zu produzieren. Eine weitere wichtige Rolle spielt dabei auch, dass die Produktion wetter- und ortsunabhängig stattfinden kann. Zudem sei die Hemmschwelle der Nutzung, laut Pitter, nicht so hoch, da es schon zahlreiche Mikroorganismen in Lebensmitteln gibt, wie zum Beispiel in fermentierten Lebensmitteln, etwa Joghurt oder Sauerkraut.

Funktionelle Eigenschaften bleiben erhalten

Auf einem Stein, der auf einer grünen Wiese mit Klee und Blumen liegt, befinden sich verschiedene Substanzen.
Die Entwicklung des weißen Proteinpulvers (rechts) aus dem braunen Bierhefepulver (links) war ein langer Weg mit verschiedenen Entwicklungsstufen. Zwischen dem Ausgangsstoff und dem Produkt sind die Prototypen 1 und 2 zu sehen. © ProteinDistillery GmbH

Die ProteinDistillery hat vier verschiedene Anwendungen für ihre Proteine:

  • Fleischalternativen (Meat Alternatives),
  • Funktionelle Lebensmittel (Functional Food),
  • Ei-Ersatzstoffe (Egg Replacment) und
  • Ersatz für Milch und Käse (Whey & Casein).

„Das Schwierige bei der Proteingewinnung ist, dass man die Proteine während des Prozesses kaputt macht und damit die funktionellen Eigenschaften verloren gehen“, erklärt der Gründer. Die Biotechnologen reinigen verschiedene Proteine auf und setzen diese in einer passenden Kombination zusammen, die die gewünschten Eigenschaften ergeben. Gemeinsam mit der Universität Hohenheim konnten sie nachweisen, dass die Hefeproteine sich gut verdauen und entsprechend in Muskelproteine umwandeln lassen. Das ist ein Vorteil gegenüber pflanzlichen Proteinquellen wie Linsen oder Erbsen, die sich weniger gut in Muskelmasse umwandeln lassen.

Natürlich ist damit die Entwicklung des Biotechunternehmens noch nicht abgeschlossen: „In Zukunft wollen wir die komplette Zelle verwenden. Wir zerlegen die Zelle der Bierhefe in ihre Einzelteile und können die verschiedenen Fraktionen der Proteine mit unterschiedlichen textur- und geschmacksgebenden Eigenschaften in die zahlreichen Bereiche der Nahrungsmittelindustrie verkaufen.“ Aus der Kombination der verschiedenen Proteinfraktionen ergebenen sich maßgeschneiderte Proteine, die zum Beispiel den herzhaft-würzigen Geschmack umami haben. Damit ließen sich auch Zusatzstoffe in den Produkten sparen, weil das Protein sowohl Eiweiß- als auch Textur- und Geschmackslieferant ist.

Finanzierung für Biotech-Start-ups

Natürlich bringt eine Gründung auch Herausforderungen mit sich: So war es am Anfang schwierig für das Team, ihre Idee zu finanzieren, da es im Labor noch keine Belege für die Funktionalität gab. Glücklicherweise stellte die Hochschule Esslingen den Gründern Räumlichkeiten zur Verfügung, sodass die ersten Experimente beginnen konnten. „Am Anfang waren die Proteine auch nicht sofort lecker“, weiß Pitter zu berichten. „Sie haben scheußlich geschmeckt, weil Bierhefe sehr bitter ist. Aber mit der Entwicklung unserer ersten schmackhaften Produkte ist unsere Vision größer geworden. Am Anfang wollten wir nur einen Proteinshake für Sportler bieten, dies hat sich nun weiterentwickelt.“ Mit der Zeit starteten die Biotechnologen durch und mit dem bewilligten Antrag für „Junge Innovatoren“ konnten sich Pitter und Baunach das erste Mal in Vollzeit ihrer Vision widmen. Aktuell wird die ProteinDistillery noch über das Förderprogramm EXIST unterstützt. Ferner wird an der ersten Seed-Finanzierung gearbeitet, sodass eine Pilotanlage nun in greifbare Nähe gerückt zu sein scheint. „Wenn alles gut läuft, sind wir im 2. Quartal 2023 mit einer mittelgroßen Pilotanlage am Start. Damit könnten die Kunden, mit denen wir aktuell zusammenarbeiten, tatsächlich Produkte auf dem Markt launchen“, sagt der Wirtschaftsingenieur. Die Zielmärkte des Unternehmens sind Skandinavien und der DACH-Raum.

Mit der größeren Vision wurde auch das Team um Pitter und Baunach erweitert. Als Mitgründer ist Prof. Dr.-Ing. Tomas Kurz in die ProteinDistillery GmbH eingestiegen und unterstützt das Unternehmen nun im Bereich Lebensmitteltechnologie. Marco Ries vervollständigt als Vollzeit-Kaufmann das Start-up. Mit neuem Namen und erweitertem Team planen die Preisträger des Ideenwettbewerbs „Bioökonomie – Innovation für den Ländlichen Raum“ 2021 nun die Produktion von nachhaltigen Lebensmitteln zu reformieren.

Literatur:

1) https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#klimagase-aus-der-viehhaltung

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/mit-mikroorganismen-zur-nachhaltigen-proteinquelle