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Nachhaltige Energiespeicher aus Eierschalen

235 Hühnereier verspeiste jeder Deutsche im Jahr 2018. Während Eiklar und Eigelb in Kuchen, Nudeln oder Rührei verarbeitet werden, wird die Schale überwiegend als Bioabfall entsorgt. Dabei ist sie ein komplexer Verbundwerkstoff aus Kalk und Proteinfasern. „In neuerer Zeit zeigt sich immer wieder, dass Naturstoffe gute Voraussetzungen haben, um daraus Stromspeicher zu bauen“, erzählt Professor Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm, einer Einrichtung unter Trägerschaft des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Karlsruhe.

Fichtner untersucht zusammen mit australischen Kollegen die elektrochemischen Eigenschaften von Hühnereierschalen. Diese werden 0,2 bis 0,4 Millimeter dick und sind aus drei Schichten aufgebaut: dem Oberhäutchen, der Kalkschale sowie der inneren und äußeren Eierschalenmembran, die aus einem enggewobenen Netzwerk von Proteinfäden besteht. Die Forscher fanden heraus, dass man daraus Elektroden für Lithium-Ionen-Kondensatoren (LIC) herstellen kann. Dazu werden die gewaschenen Eierschalen gemahlen und unter Luftabschluss erhitzt, wobei sie schwarz werden, da die Proteinfasern zu Kohle und damit elektrisch leitfähig werden. „Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass sie elektrischen Strom überhaupt in die Elektrode reinbringen können, also die Grundlage für einen Energiespeicher“, erklärt Fichtner. Das entstandene Eierschalenpulver wird mit einem Kunststoff vermischt und auf eine Metallfolie aufgestrichen. Nach dem Trocknen ist die Elektrode fertig.

Kondensatoren lassen sich zehnmal so schnell be- und entladen wie Akkus

Prof. Dr. Maximilian Fichtner © Fritz Beck

Es gibt viele verschiedene Arten von Kondensatoren, sie werden in fast allen elektronischen Geräten eingesetzt. In einem Blitzlichtgerät eines Fotoapparates beispielsweise wird der Kondensator innerhalb von Sekunden aus einer Batterie aufgeladen. Nach Zündung der Blitzröhre entlädt sich der Kondensator innerhalb weniger Mikrosekunden und liefert dabei eine Leistung von einigen Kilowatt. Die Batterie kann so viel Leistung innerhalb so kurzer Zeit nicht zur Verfügung stellen. „Ein Kondensator speichert zehnmal weniger Energie als eine Batterie, lässt sich aber zehnmal so schnell be- und entladen“, beschreibt Fichtner. Außerdem überstehen Kondensatoren viel mehr Lade- und Entladezyklen. Und noch ein weiterer Unterschied kommt hinzu: Kondensatoren speichern Energie als elektrisches Feld. Batterien speichern elektrische Energie dagegen in chemischer Form.

LIC´s gehören zur Gruppe der Superkondensatoren, die die größte Kapazität aller Kondensatoren haben, das heißt, sie können weitaus mehr Energie speichern als herkömmliche Kondensatoren. Das macht sie für einige Anwendungen interessant. „In China gibt es erste Busse, die mit solchen Kondensatoren fahren anstatt mit Batterien“, erzählt Fichtner. An einer Ampel oder Haltestelle wird der Kondensator innerhalb von Sekunden drahtlos über eine Induktionsschleife im Boden aufgeladen, sodass er ein paar Kilometer weiter fahren kann, bis zur nächsten Ladestation. „Das funktioniert sehr gut für Busse, die eine feste Route haben. Für Autos wäre das, zumindest im Moment, noch nicht geeignet.“ Außerdem sind LIC´s billiger als große Batterien, die zudem häufig Säuren und Schwermetalle enthalten, was bei Kondensatoren nicht der Fall ist. Sie gelten als umweltfreundlich und enthalten im Gegensatz zu Lithium-Ionen-Akkus viel weniger Lithium.

Wie ein elektrisch leitfähiger Schwamm

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Schematischer Aufbau eines Lithium-Ionen-Kondensators und Verteilung der Ionen im entladenen Zustand. Genauere Erläuterungen im Text. © Elcap, Jens Both, Wikimedia Commons (verändert)

LIC´s bestehen aus zwei unterschiedlichen Elektroden, die durch einen lithiumhaltigen Elektrolyten miteinander verbunden sind. Ein Elektrolyt ist ein Lösungsmittel mit darin gelösten Salzen. Die Elektroden werden durch eine elektrisch durchlässige Membran, einen sogenannten Separator voneinander getrennt, damit es nicht zu einem Kurzschluss kommt. „Die Elektroden kann man sich vorstellen wie einen elektrisch leitfähigen Schwamm, also ein Gebilde, das eine große Oberfläche hat“, erklärt Fichtner. Durch Anlegen einer Spannung an den Kondensator trennen sich die Ladungsträger im Elektrolyten in positive und negative Ladungen. Beim Laden des Kondensators bildet sich an der positiven Eierschalen-Elektrode eine sogenannte Helmholtz-Doppelschicht aus, in der sich eine Schicht positiver Ionen in der Elektrode und eine Schicht negativer Ionen im Elektrolyt anordnen. Zwischen diesen angesammelten Ladungen bildet sich ein elektrisches Feld.

An der negativen Elektrode wird die elektrische Energie elektrochemisch in einer sogenannten Pseudokapazität gespeichert. Dazu werden in die Elektrode aus Aktivkohle oder Graphen bei der Herstellung positiv geladene Lithium-Ionen eingelagert. Diese übertragen in einer sogenannten Redoxreaktion jeweils ein Elektron an die Elektrode, wodurch eine Vorspannung erzeugt wird. Der Kondensator wird erst geladen, wenn die am Kondensator anliegende Spannung größer ist als die Vorspannung. Beim Laden wandern weitere positive Lithium-Ionen aus dem Elektrolyten zur negativen Elektrode, lagern sich ein und geben ebenfalls eine Ladung in Form eines Elektrons ab. Beim Entladen werden die Elektronen an die Lithium-Ionen übertragen und alle Ionen verteilen sich wieder im Elektrolyten.

Weitere Forschungsarbeit mit Kooperationspartnern aus der Industrie vorstellbar

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Bei über 1000 Lade-und Entladezyklen hielt die Testzelle eine Kapazität von 92 Prozent aufrecht. © Elvira Eberhardt

Bei über 1.000 Lade- und Entladezyklen hielt die Testzelle eine Kapazität von 92 Prozent aufrecht. „Das ist gegenüber Batteriematerialien ganz gut, bei Kondensatoren eher im Mittelfeld“, sagt Fichtner. Er ist überzeugt davon, dass das noch verbessert werden kann. Weitere Forschungsarbeiten sind für Fichtner in einem Gemeinschaftsprojekt mit Kooperationspartnern aus der Industrie gut vorstellbar. Angebote von Rohstofflieferanten, die pro Tag 200.000 Eierschalen loswerden wollen, hat er schon bekommen. Nun braucht er noch ein Unternehmen, das die Kondensatoren mit den Eierschalen herstellen will. „Es ist kein High-performance-System“, sagt Fichtner, „aber es hat eben den Charme, dass ein nachwachsender Rohstoff verwendet wird und keine teuren, seltenen Rohstoffe benötigt werden.“

Originalpublikation:

Minakshi, M.; Visbal, H.; Mitchell, D. R. G.; Fichtner, M.: Bio-waste chicken eggshells to store energy. 2018. Dalton transactions, 2018 (47), 16828–16834. doi:10.1039/c8dt03252a.
 

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/nachhaltige-energiespeicher-aus-eierschalen