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Neue Technologien für den Einsatz von Biogas als Regelenergie
Die Mikroorganismen in Biogasanlagen tun ein gutes Werk, wenn sie die primären Gärprodukte CO₂ und Wasserstoff auf biologischem Weg in Methan umwandeln. Denn dieses Biomethan hat als Energieträger eine große Zukunft. Wissenschaftler der Universität Hohenheim erforschen neue Wege für die Produktion und Verwertung.
Das Hauptprodukt der rund 9.400 Biogasanlagen in Deutschland ist Methan (CH4). Je nach Verfahren beträgt sein Anteil im Biogas zwischen 50 und 65 Prozent. Der Rest ist Kohlenstoffdioxid (CO2) und in geringen Mengen fallen auch Wasserstoff (H2) und Schwefelwasserstoff (H2S) an. Das Spannende am Methan ist sein vielseitiges Nutzenpotenzial, das in den komplexen Energieversorgungsstrukturen der Zukunft seine Stärken ausspielen kann. Methan kann zum einen in Blockheizkraftwerken, die mit den Biogasanlagen gekoppelt sind, direkt zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden. Es kann aber auch als Kraftstoff dienen. Und es kann in das bereits vorhandene und hervorragend ausgebaute Erdgasnetz eingespeist werden. PD Dr. Andreas Lemmer von der Universität Hohenheim befasst sich seit vielen Jahren mit dem Thema Biogas und weiß, warum das so zukunftsträchtig ist: „Methan bietet uns eine hervorragende Möglichkeit, um Stromnetze langfristig zu stabilisieren. Dafür müssen wir die Biogasproduktion von seiner Nutzung räumlich und zeitlich entkoppeln. Das Erdgasnetz ist nicht nur ein Transport-, sondern auch ein gigantisches Speichernetz, das den gesamten deutschen Erdgasbedarf von drei Monaten speichern kann. Es gibt hierzulande kein Energiespeichersystem, das ähnlich leistungsfähig ist. Diese Speicherfunktion können wir nutzen, um genau dann aus Methan Strom zu erzeugen, wenn er gebraucht wird.“
Damit wird Biogas zu einer erneuerbaren Regelenergie, die immer dann einspringen kann, wenn die anderen erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Fotovoltaik wetterbedingt gerade nicht viel liefern. Bisher war das durch den geringen Anteil regenerativer Energien im Strommix nicht das Problem. Im Zuge der Energiewende soll jedoch der Anteil erneuerbarer Energien bundeweit bis 2050 auf 80 Prozent steigen. „Pumpspeicherkraftwerke allein können zukünftig den Bedarf an ergänzender Regelenergie nicht abdecken. Biogasanlagen könnten jedoch rund 90 Prozent des Bedarfs an Regelenergie liefern“, ist Lemmer überzeugt. Er arbeitet mit seinem Team und Kooperationspartnern daran, effiziente und wirtschaftliche Technologien für die Biogasproduktion zu entwickeln.
Erneuerbare Energien untereinander sinnvoll verknüpfen
Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die fermentative Hochdruckmethanisierung von Wasserstoff. Dabei wandeln Mikroorganismen im Fermenter unter kontrollierten Bedingungen CO2 und Wasserstoff in Methan um. Prinzipiell ist dieser Vorgang der gleiche wie in jeder Biogasanlage und er wird auch durch die gleiche Mischung unterschiedlicher Archaebakterien ausgeführt. Um die Ausbeute an Methan zu steigern, kann hier wie dort mehr Wasserstoff zugeführt werden, als in der Biogasanlage natürlicherweise anfällt. CO2 als weiterer Ausgangsstoff steht hingegen überreichlich zur Verfügung. Den zusätzlichen Wasserstoff erzeugen die Hohenheimer Forscher in einem Elektrolyseur. Darin werden mithilfe von regenerativem Strom Wassermoleküle elektrolytisch in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. „Es gibt verschiedene Techniken, um den Wasserstoff dann in den Biogasfermenter einzubringen. Er kann zum Beispiel feinblasig über Membranen einfach eingeblasen werden“, erklärt Lemmer. Wie dadurch in situ, also direkt im Fermenter der Biogasanlage, die Methan-Ausbeute erhöht werden kann, erforscht Lemmers Kollege in Hohenheim, Prof. Dr. Hans Oechsner.
Mit dem Hochdruckfermenter verfolgt Lemmers Team eine etwas andere Strategie. Die Forscher verwenden Rieselbett-Reaktoren, in denen die Bakterien einen Biofilm auf dem Trägermaterial bilden. Dadurch erhöht sich die Kontaktfläche zwischen Bakterien und dem Gas aus CO2 und Wasserstoff. Einmal am Tag wird der Biofilm für etwa zwei Minuten mit einer Nährlösung berieselt und ist ansonsten nur von Gas umgeben. Wasserstoff und CO2 werden von unten in den Fermenter eingeleitet und auf einen Druck von 10 bar komprimiert. Dadurch erhöht sich die Verweildauer des Wasserstoffes, der sonst in wenigen Sekunden durch den Fermenter geströmt wäre. „Wir erhalten so ein extrem stabiles System mit hoher Raum-Zeit-Ausbeute an Methan. Betriebsmittelbedarf gibt es eigentlich nicht und die Bakterienpopulation ist so stabil, dass wir mit der Begasung auch mal ein paar Tage aussetzen können. Selbst plötzlicher Druckabfall lässt die Bakterien nicht absterben, genauso wenig wie eine rasche Druckerhöhung“, sagt Lemmer. Die Mikroorganismen sind zudem in einem breiten Temperaturspektrum von 37 bis 65 Grad Celsius arbeitsfähig. Die höchsten Raum-Zeit-Ausbeuten werden bei Betriebstemperaturen von 55 bis 60 Grad Celsius erreicht. Das Produkt, also Methan, wird kontinuierlich oben ausgeleitet. Im Moment arbeitet das Team noch im Labormaßstab mit 20-Liter-Fermentern. Im Pilotmaßstab kommen dann 500-Liter-Fermenter zum Einsatz, die drei bis vier Meter hoch sind. „Im anwendungsreifen Maßstab sind die Fermenter 100- bis 500-fach größer als im Labormaßstab und es können mehrere Fermenter parallel in Reihe betrieben werden“, so Lemmer.
Einfach und robust sind gute Voraussetzungen für die Anwendung
Wie wirtschaftlich der Prozess tatsächlich sein wird, erforschen Projektpartner am KIT in Karlsruhe. „Sie simulieren das gesamte Verfahren am Computer und lösen dafür die Energie- und Stoffströme bis ins Detail auf. Unsere Industriepartner legen das Verfahren technisch aus und bepreisen die Bestandteile“, sagt Lemmer. Mit dem Stand Ende 2019 stellt sich die Bilanz so dar, dass die Betriebskosten der Biogasproduktion um 20 bis 30 Prozent gesenkt werden können, verglichen mit der konventionellen Produktion von Biogas und dessen Aufbereitung auf Erdgasqualität. Das liegt laut Lemmer vor allem daran, dass direkt im Reaktor die gewünschte Gasqualität erzeugt werden kann, was den technischen Aufwand erheblich reduziert. „Im Grunde fügen wir mit dem Hochdruckfermenter drei getrennte Schritte zu einem zusammen. Bisher wird das Biogas zunächst erzeugt, dann gereinigt und dann unter Druck ins Netz eingespeist.“
Der geringe technische Aufwand ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Auch der gesetzliche Rahmen muss stimmen, wenn diese Art der Biogaserzeugung wirtschaftlich Sinn machen soll. Wenn der Wasserstoff für die Methanproduktion elektrolytisch mithilfe von Strom aus Wasser erzeugt wird, wird der Elektrolyseur als Verbraucher betrachtet. Das heißt, der Anlagenbetreiber muss derzeit eine EEG-Umlage bezahlen. „So lange das der Fall ist, kann das Verfahren nicht wirtschaftlich angewendet werden. Die spannende Frage ist also, wie sich hier der rechtliche Rahmen entwickeln wird. Da ohne ‚Power to Gas’-Technologien jedoch kein ‚Greening’ im Erdgasnetz zu erreichen ist, bin ich vorsichtig optimistisch. Zudem wird mit der RED II, also der Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie auf EU-Ebene, die Nutzung von Bio-Methan als Kraftstoff deutlich interessanter werden und neue Anwendungsmöglichkeiten schaffen“, sagt Lemmer. Zum Jahreswechsel 2020/21 soll die Hohenheimer Anlage stehen und für 2021 wird die Umsetzung der RED II in nationales Recht erwartet – das würde zeitlich also schon mal gut passen.