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Start-up kernique triff Zeitgeist

Nuss-Snack als nachhaltiges ökologisches Konzept

Ein veganer, leckerer Nuss-Snack, der auf jegliche Form von Zucker, künstliche Zusatzstoffe, Gluten und Palmöl verzichtet, wichtige Nährstoffe enthält und sich für ökologische und soziale Nachhaltigkeit einsetzt. Unmöglich? Das Esslinger Start-up kernique beweist das Gegenteil und plant aktuell die Crowdfunding-Phase mit lukrativem Ansatz für Investoren. Die Idee trifft den Zeitgeist, doch was genau zeichnet sie aus?

Eine junge Frau und ein junger Mann in der Natur vor gestapeltem Holz.
Katja Großmann und Marcel Fortwingel – das Gründerpaar von kernique. © kernique

Snacks in allen Facetten locken täglich, allerdings fast immer mit Fallen: Der enthaltene Zucker ist zwar ein schneller Energielieferant, doch löst er große Blutzuckerschwankungen und eine starke Insulinausschüttung aus, die letztlich zu Müdigkeit und erneutem Verlangen nach Süßem führen. Dieser Teufelskreis ist bekannt, ebenso wie die entzündungsfördernden Eigenschaften von Zucker, dessen Einfluss auf das Mikrobiom und Immunsystem bis hin zur Kariesentwicklung.

Wie wäre es da mit einem Snack, der frei von Zucker und zudem reich an wichtigen Nährstoffen ist? „Man kommt dabei schnell auf Nüsse“, erklärt Marcel Fortwingel, Mitgründer des Start-ups kernique. Was wie aus der Hüfte geschossen klingt, ist jedoch lange gereift: Seit seiner Diabetes-Typ-1-Erkrankung mit zwölf Jahren befasst sich Marcel Fortwingel mit gesunder und zuckerarmer Ernährung. „Dass Nüsse noch nicht als Superfood wahrgenommen werden, liegt meist am Angebot langweiliger Nussmischungen oder den Nachteilen durch zuckerhaltige Beimischungen.“ Zusammen mit seiner Partnerin Katja Großmann ist die Idee entstanden, Nüssen ein komplettes Makeover zu verpassen.

Es geht um die Nuss – und die hat es in sich

„Immer mehr Menschen achten auf gesunde und nachhaltige Ernährung, doch dafür braucht es ein gutes Angebot“, erklärt Großmann. „Aus diesem Grund heraus haben wir das Start-up kernique gegründet, mit dem wir Nüsse und Kerne einzigartig machen wollen.“ Oft werden Nüsse mit einem hohen Energiegehalt verbunden, doch sind sie alles andere als Dickmacher, wie Fortwingel erklärt: „Nüsse stecken voller Proteine, Vitamine, Mineralstoffe, Antioxidantien. Und enthalten vor allem Ballaststoffe und ungesättigte Fettsäuren, denen ein gesundheitsfördernder Einfluss auf Zivilisationserkrankungen wie Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zugeschrieben wird.1-3 Die DGE4 empfiehlt 25 bis 50 g Nüsse pro Tag, doch im Durchschnitt verzehrt jeder Deutsche ca. 2 g täglich.“

Die erste Experimentierphase haben beide Gründer aus eigener Tasche finanziert. „Für unsere Rezepturen setzen wir ausschließlich biologische, rein pflanzliche Zutaten ein“, erklärt Großmann das Grundprinzip. „Und mit unterschiedlichen Nusskompositionen und natürlichen Komponenten, wie Kakao, Kokos oder italienischen Kräutern, lassen sich süße oder herzhafte Nuss-Bites kreieren.“ Der Clou bei süßen Rezepturen: Die beiden jungen Unternehmer setzen auf Erythrit, das aus nachwachsendem Mais gewonnen wird. Erythrit wird nicht verstoffwechselt und hält so den Blutzuckerspiegel konstant.

Besonders knifflig: Die Bestandteile sollen verbunden werden, ohne zu klebrig oder bröselig zu sein. Genau hier liegt ein entscheidender Mehrwert von kernique, wie Fortwingel erklärt: „Unsere Rezeptur- und Prozessentwicklung zielt auf den Zusammenhalt der Crispies, ohne dass klassische Bindemittel, wie Eier und Emulgatoren oder zuckerhaltige Überzüge, eingesetzt werden. So kommen wir ganz ohne tierische oder allergene Zusätze aus.“ Voilà – eine elegante Lösung war geschaffen. Doch wie positioniert man sich am Markt?

Mit ganzheitlichem Konzept in die Crowdfunding-Kampagne

Einen Produktionspartner zu finden, war für die Mediengestalterin Großmann und den Soziologen Fortwingel anfangs schwierig. „Es ist viel Eigenrecherche nötig. Vor allem, wenn man nicht aus der Food-Branche kommt. Unser erster Anlauf, die Industrie- und Handelskammer, bot uns Workshops zur Existenzgründung und Unternehmensförderung“, so Großmann. Weitere Unterstützung fanden die jungen Unternehmer durch das Förderprogramm der Hochschule der Medien Stuttgart5, bei dem sie sogar den Best Pitch 2020-Award gewannen, sowie durch den Inkubator Social Impact Lab Stuttgart. „Der Fokus konnte so auf nachhaltiges Unternehmertum gelegt werden. Welche essenziellen Eigenschaften braucht ein Produkt, um auf dem Markt zu bestehen? Wie sieht die Dienstleistung aus? Wer ist unsere Zielgruppe, was der zentrale Mehrwert? Uns wurde klar: Wir möchten über das Produkt hinausgehen und ganzheitlich denken.“    

Schokoladige braune Nuss Crispies und exotische hell Nuss-Snacks.
Schokoladige braune Nuss Crispies und exotische hell Nuss-Snacks.
Die Crispies von kernique in verschiedenen Geschmacksvarianten (abgebildet: schokoladige und exotische Nuss-Snacks) werden ohne Zucker und künstliche Zusatzstoffe hergestellt und folgen einem nachhaltigen Konzept. © kernique

Gemeint ist: Es braucht nicht immer eine große Technologie, sondern die Orientierung am langfristigen gesellschaftlichen Mehrwert „Das Bewusstsein für eine nachhaltige Ernährung kann die eigene Gesundheit und unsere Umwelt zum Positiven verändern“, erklärt Fortwingel. „Verantwortung ist für uns entscheidend. So beziehen wir ausschließlich fair gehandelten Kakao und fördern regionale Produkte, wie heimische Hasel- und Walnüsse.“ Hier kommt auch die Kreislaufwirtschaft ins Spiel, denn das Start-up möchte Presskuchen verwerten, der als Restprodukt bei der Ölherstellung aus Nüssen entsteht und viel Proteine, Mineral- und Ballaststoffe enthält. Die Rezepturen sind variabel – doch wie gelingt der Transfer in die Maschine?

„Mit unserem Produktionspartner entwickeln wir vielseitige Prozesse. Aktuell befinden wir uns in der gemeinsamen Produktoptimierung und möchten im Sommer im Zuge unserer Crowdfunding-Kampagne auf Startnext unsere Snacks der Öffentlichkeit präsentieren“, beschreibt Fortwingel die Initiative, die sich direkt an die Öffentlichkeit wie Einzelpersonen, Betriebe, Fitnessstudios und Büros richtet. Die Projekte kann man mit freien Geldbeträgen unterstützen, oder unterschiedliche Angebote gegen eine finanzielle Unterstützung erwerben, wie z. B. Snacks von kernique in verschiedenen Varianten oder auch persönliche Treffen und Aktionen.

Die Plattform bietet Finanzierungsmöglichkeit und gleichzeitig Kunden-Feedback. Für Großmann zählt dies als optimaler Anknüpfungspunkt für nachhaltige Lifestyle-Produkte: vom Snack fürs Büro, Riegel für Rucksack und Trikottasche bis zu Mehrfachentnahme-Beuteln mit Müsli oder herzhaften Croutons für Suppen und Salate. Auch wird die Nuss-Zusammensetzung auf bestimmte Allergiker speziell abgestimmt – mit ihren soja-, laktose-, gluten- und zuckerfreien Zutaten erfüllen sie bereits wichtige Kriterien.

Das Start-up sucht nach Investoren, die an seinen Werten interessiert sind und mitwachsen wollen, so etwa Kooperationspartner, die den sozialen Impact und Trend zu Bewusstsein für Nachhaltigkeit unterstützen.

Es geht nicht nur um die Nuss: Gesundheit, Genuss und Nachhaltigkeit verbinden

Entscheidend bei der Wahl des Produktionspartners war, dass bestimmte Qualitätskriterien erfüllt werden. Dies betrifft einzelne Rohstoffe, Biozertifizierung, FairTrade bis Produktion. „Wir möchten die gesamte Wertschöpfungskette erfassen und transparent darstellen“, beschreibt Großmann das Ziel – und gleichzeitig die Herausforderungen. „Hinsichtlich FairTrade geht es um die Sicherstellung fairer Bedingungen von der Kakaoplantage über die gesamte Kette hinweg. Als Start-up mit kleinen Produktmengen ist dies anfangs nicht alleine realisierbar, deshalb haben wir einen zertifizierten Produktionspartner eingebunden. Auf lange Sicht möchten wir hier selbstständig agieren.“

Die Produkte von kernique haben einen großen Vorteil: Anders als bei Frischewaren ist keine Kühlkette nötig. Das Start-up strebt nicht nur eine klimaneutrale Produktion an, sondern möchte auch den klimaneutralen Versand nutzen und in Zukunft verstärkt in regionalen Märkten vertreten sein. Erste Anfragen haben sie bereits. Fortwingel erwähnt einen weiteren wichtigen Aspekt: „Viele nicht-heimische Nüsse haben selbst nach dem Transportweg in Summe einen CO2-positiven Effekt, denn Sträucher der Nuss-Pflanzen speichern große Mengen an CO2.“6

Das Konzept ist ganzheitlich gedacht. So wird auch Nutztierhaltung von vornherein vermieden, ebenso wie der Einsatz von Palmöl mit seinen umweltschädlichen Folgen. Das Unternehmen möchte langfristigen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen, mit Kooperationspartnern zusammenarbeiten und Aufklärungskampagnen zu gesunder und nachhaltiger Ernährung umstzen, unter anderem in Schulen. Ein spannender Schmelztiegel für nachhaltige Ideen.

Literatur

1) Guasch-Ferré, M. et al. (2017): Nut Consumption and Risk of Cardiovascular Disease. Journal of the American College of Cardiology, 70(20).

2) Graziany Machado de Souza, R. et al. (2017): Nuts and Human Health Outcomes: A Systematic Review. Nutrients, 9.

3) Schlörmann, W. et al. (2016): Nüsse – Kleiner Snack mit großer Wirkung. Rohe und geröstete Nüsse haben ein hohes gesundheitliches Potenzial. In: Matissek, R. (Hg.): Moderne Ernährung heute. WIssenschaftlicher Pressedienst.

4) Deutsche Gesellschaft für Ernährung

5) Academic Seed Accelerator Program: Start-up BW ASAP (asap-bw.com)

6) Poore, J. & Nemecek, T. (2018): Reducing food´s evironmental impacts through producers and consumers. Science 360(6392):987-992.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/nuss-snack-als-nachhaltiges-oekologisches-konzept