Hauptnavigation
Pflanztöpfe aus Naturfasern – „Bio“ ohne Wenn und Aber
Pflanztöpfe aus Plastik sind gar nicht gut für die Umwelt – man darf sie streng genommen noch nicht einmal über die Gelbe Tonne entsorgen. Bisherige Alternativen wie etwa Kokosfasern sind zwar kompostierbar, aber nicht schadstofffrei und damit ganz und gar nicht „bio“. Nun hat die Karlsruher Firma Fiber Engineering eine wirklich umweltfreundliche Möglichkeit entwickelt, um Pflanzen zu kultivieren: Töpfe aus Hanf oder Gras, die nur mit biologischen Komponenten haltbar gemacht werden und sich innerhalb weniger Wochen vollständig zersetzen.
Ein Alltag ohne Kunststoff ist praktisch undenkbar: Ob als Verpackungsmaterial, Wärmedämmung und in Klebstoff oder Kosmetika – sehr viele Bereiche des täglichen Lebens kommen nicht ohne sie aus oder wären wesentlich weniger komfortabel für uns. Allerdings kann der wenigste Teil anschließend recycelt werden, wenn das Produkt nicht mehr gebraucht wird. Die meisten Plastikteile landen dauerhaft auf dem Müll, viele Bestandteile reichern sich in der Umwelt an und je nach Material dauert es mehrere hundert Jahre, bis sie sich zersetzt haben. Aus diesen Gründen wird nach Alternativen für Kunststoffprodukte aller Art mit Hochdruck gesucht. Dabei bietet die Natur theoretisch eine Vielzahl an Rohstoffen für die Verarbeitung zu Ersatzprodukten an, die allerdings bislang in den meisten Fällen nicht so gut wie das Original aus Kunststoff sind.
Aus Naturfasern aller Art entstehen vielerlei Alltagsprodukte
Ein Spezialist für neuartige Ansätze zur Faserverarbeitung ist die 2003 gegründete Firma Fiber Engineering aus Karlsruhe. Hier werden mithilfe einer eigens entwickelten Fasereinblastechnik, der Fiber-Injection-Molding(FIM)- Technologie Produkte aller Art auf Basis von Naturfasern wie Gras, Flachs, Kokosnuss oder gar Kamelhaar hergestellt. „Mit unserer neuen Technologie können wir hocheffizient – also mit geringstem Energie- und Materialverbrauch – 3D-Formteile herstellen“, erklärt Egon Förster, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens. „Denn wir produzieren ohne Halbzeuge, das heißt wir verarbeiten die Fasergemische direkt, was es uns erlaubt, einen kompletten Produktionsschritt einzusparen. Dabei ist unsere Spezialität, Dichten lokal einstellen zu können. Das heißt, wir verarbeiten in Bereichen mit geringer Dichte auch weniger Material; das senkt die Kosten, und das Teil wird leichter.“ Försters Kerntechnologie ist bereits in über 30 Ländern weltweit patentiert. Sie ermöglicht eine große Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten, sagt er, und könnte damit viele interessante Märkte erschließen.
Bio-Töpfe zersetzen sich nach wenigen Wochen rückstandsfrei
Dank ihrer neuen Technologie hat die Fiber Engineering auch tatsächlich schon eine ganze Reihe an Innovationen für die Automobil-, Luftfahrt- oder Verpackungsindustrie und auch für die Agrarwirtschaft entwickelt. Das neueste Produkt des Unternehmens sind vollständig abbaubare Pflanztöpfe. „Bisherige Alternativen zu den schwarzen oder braunen Plastik-Blumentöpfen, wie wir sie alle kennen, und von denen alleine in Europa täglich 20 Millionen hergestellt werden, gibt es zwar schon seit einiger Zeit auch aus Biofasern wie beispielsweise Kokos“, berichtet Förster. „Diese müssen aber mit einem Kleber aus Kunststoff stabilisiert werden, und wenn man dann noch bedenkt, dass der Rohstoff aus Sri Lanka durch die ganze Welt transportiert werden muss, dann kann man das Gesamtprodukt ganz und gar nicht mehr als „bio“ bezeichnen.“ Auch andere Ansätze aus PLA (Polylactid), die aus Milchsäure oder Maisstärke gewonnen würden, seien alles andere als „bio“, meint er: „Hier hat man ja nur eine andere Rohstoffquelle, aber das Endprodukt ist immer noch aus Plastik.“
Vor diesem Hintergrund begann man bei der Fiber Engineering vor gut zwei Jahren, nach einer Alternative für Plastik-Pflanztöpfe zu suchen. Mit Erfolg: Das Produkt, das der Ingenieur und seine Mitarbeiter in dieser Zeit entwickelt haben, ist sehr effizient herzustellen. Außerdem „bio“ ohne Wenn und Aber, wie er sagt, weil komplett heimkompostierbar und schadstofffrei zu vergraben. Die ehrgeizige Vorgabe, die sich die Experten gemacht hatten, war, dass viele unterschiedliche Naturmaterialien günstig verarbeitet werden können.
Ausgangsmaterial: Reststoffe aus der Natur
„Nach ein paar anfänglichen Hürden können wir nun tatsächlich eine ganze Menge an Reststoffen verwenden – Hanf, Gräser oder Schilf, das klappt alles“, berichtet Förster. „Die Schwierigkeit dabei ist es allerdings, dass die Halme untereinander und von Art zu Art sehr unterschiedlich sind, sodass Haltbarkeit und Zersetzung stark nach Zusammensetzung des Ausgangsmaterials variieren und damit individuell angepasst werden müssen. Dies haben wir gelöst, indem wir den Fasern zusätzlich noch zwei Komponenten beimischen, und zwar Biowachs und Biokleber. Damit haben wir zwei Stellschrauben, um die Zerfallszeit je nach Ausgangsmaterial einstellen zu können. Hierfür haben wir während der Entwicklungszeit eine ganze Menge unterschiedlicher Fasergemische getestet.“
Herausgekommen ist ein Pflanztopf, der so leicht wie möglich, aber gleichzeitig auch so fest wie möglich ist, und der zu 100 % aus natürlichen Reststoffen besteht. Für die Reststoffe hat die Fiber Engineering diverse Quellen: Hanf bekommt sie beispielsweise von der BAFA Neu GmbH in Malsch, Gräser aus der Karlsruher Umgebung oder Maisblätter von der Hochschule aus Hof.
Entwicklungsarbeiten gehen noch weiter
Externe Tests hat das Produkt auch schon erfolgreich absolviert: An der Universität Hohenheim und am Institut Hohenstein wurden verschiedene Parameter geprüft. Unter anderem ergaben Verwitterungsversuche, dass die Töpfe bereits nach sechs Wochen zersetzt waren. „Nun sind wir so weit fertig, dass wir Gespräche mit diversen Interessenten – großen Firmen und Handelsketten – führen, die das Produkt vermarkten könnten, denn wir haben einfach nicht die richtige Vertriebsstruktur dafür“, sagt der Unternehmer. Spätestens im Laufe des nächsten Jahres sollen die Pflanztöpfe aber auf dem Markt sein: „Sollte es wider Erwarten doch nicht klappen, dann werden wir sie selbst direkt vermarkten.“
Im Moment befindet sich das Projekt auf dem Prototypen-Stand. Beispielsweise wurden die Töpfe bisher in Sechseckform gefertigt, rund oder quadratisch wäre aber auch prinzipiell kein Problem. Bevor man aber beginnt, dies umzusetzen, muss man erst einmal abwarten, was der Kunde will. Aber auch ganz generell sind die Entwicklungsarbeiten an den neuartigen Bio-Pflanztöpfen noch lange nicht zu Ende: „Wir sind dabei, sie noch weiter aufzupeppen“, berichtet Förster. „Das heißt, wir versuchen gerade gemeinsam mit einer anderen Karlsruher Firma, die Biosprit herstellt, aus dem dort anfallenden Kohlendioxid unser Biowachs zu gewinnen. Das heißt, wir nehmen CO2 dort weg, wo es stört, und bringen es dorthin, wo es benötigt wird – nämlich zu den Pflanzen, die es zum Wachsen brauchen.“
Parallel dazu ist man bei der Fiber Engineering derzeit auch noch in Projekten zu ganz anderen Themen aktiv. Unter anderem möchte man Styropor in Außenwandfassaden oder Polyurethanschaum im Automobilbereich durch biogene Materialien ersetzen. „Ideen haben wir viele – leider nicht genug Geld für eine schnelle Umsetzung“, meint der Firmengründer. „Die Welt steht nie still, man kann immer noch etwas besser machen.“