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Papiertechnik

PLAFCO – ein nachhaltiger Plastikersatz aus Papier

Plastik ist unverzichtbar für uns: Es ist billig und praktisch und steckt in vielen Wegwerfprodukten wie Strohhalmen, Einweggeschirr oder auch Verpackungen wie Getränkeverbundkartons oder Tüten – mit katastrophalen Auswirkungen auf die Umwelt. Das Start-up Plafco Fibertech Oy hat nun ein nachhaltiges Plastikersatzprodukt aus Papier entwickelt, das viele Einmalartikel aus Kunststoff zukünftig ersetzen könnte – und dies, ohne auf die Pluspunkte von Plastik verzichten zu müssen.

Der Professor in Arbeitskleidung vor vielen großen Papierrollen und einer Maschine, die PLAFCO produziert.
Prof. Dr. Jukka Valkama ist Studiengangsleiter des Studiengangs Papiertechnik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und Gründer der Plafco Fibertech Oy. © Plafco Fibertech Oy

Unser Alltag ist eine Welt voller Kunststoff: Verpackungen und Folien aller Art, Einweggeschirr und noch vieles mehr sind allgegenwärtig und machen jährlich weltweit einen Marktwert von mehreren Milliarden Euro aus - Tendenz stark steigend. Die Nutzungsdauer dieser Werkstoffe aus meist synthetischen Polymeren ist in der Regel kurz und die Herstellung der meisten Kunststoffe ist noch auf fossile Ressourcen angewiesen. Produkte wie Trinkhalme und Einweggeschirr aus fossilen Rohstoffen dürfen ab Mitte 2021 nicht mehr verkauft werden, da sie häufig in der Umwelt entsorgt werden, wo sie nicht oder nur unvollständig zersetzt werden können und damit Umwelt, Gewässer und Gesundheit schädigen.

Schon 2013 machte man sich deshalb an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe auf die Suche nach nachhaltigen Alternativen: In einem EU-Projekt begann Prof. Dr. Jukka Valkama, Leiter des dortigen Studiengangs Papiertechnik, mit seinem Team, an einer Möglichkeit der Plastiksubstitution aus Papier zu forschen. „Wir wollten wissen, ob man Papier als Basismaterial verwenden könnte, ohne viel Neues zu erfinden“, berichtet Valkama. „Und wir haben es in dem dreijährigen Projekt tatsächlich geschafft, ein neues Produkt zu entwickeln, indem wir Papier zu einem Komposit umwandeln konnten, das vergleichbare Eigenschaften wie Plastik hat.“

Papier gewinnt andere Eigenschaften – und wird zu PLAFCO

Das neue, umweltfreundliche Plastikersatzprodukt haben die Karlsruher Wissenschaftler PLAFCO – kurz für: Plastic Fibre Composite – genannt; eigentlich der falsche Name, wie Valkama im Nachhinein findet: „Es ist ja gerade kein Plastik, sondern dieses wurde durch das neue Faserkomposit ersetzt. Aber wir lassen das jetzt so, das würde sonst für zu viel Verwirrung sorgen.“

Verschiedene riesige Behälter mit Chemikalienbädern, in denen aus großen Vliespapierrollen PLAFCO hergestellt wird.
PLAFCO entsteht aus Vliespapier, indem Chemikalien Zellulose lösen und diese als Klebstoff die Lücken im Papier schließt, sodass es plastikartige Eigenschaften gewinnt. © PLAFCO Fibertech Oy

PLAFCO entsteht aus Vliespapier, das an der Hochschule entweder aus Zellstoff selbst hergestellt oder in großen Rollen nach einer festgelegten Rezeptur bei Papierfabriken in Auftrag gefertigt wird. Zur eigentlichen Umwandlung zum Plastikersatzprodukt kommt das Papier in ein PLAFCO-Bad, in dem Chemikalien einen Teil der Zellulose zunächst wieder aus der Naturfaser lösen. Nachdem die Chemikalien durch Waschen in einem nächsten Bad entfernt wurden, schließt die gelöste Zellulose als Kleber automatisch alle erreichbaren Lücken im Papier. Anschließend wird das Material getrocknet und ist einsatzfähig. „Auf diese Weise wird Papier zu einem Komposit aus Zellstoff umgewandelt, das im Vergleich zum Ausgangspapier sehr stark verdichtet ist“, erklärt der Professor. „Und dadurch hat es ganz andere Eigenschaften: Es ist viel steifer, gleichmäßiger und luftdicht; man kann es sogar auch undurchlässig für Öl machen. Dadurch eignet es sich dann beispielsweise für Lebensmittelverpackungen.“

Kompostierbar, wiederverwertbar und umweltfreundlich

Eine buntes Tetrapack bedruckt mit dem PLAFCO-Logo und zwei großen Goldfischen.
Das neuartige Plastikersatzprodukt eignet sich für Verpackungen aller Art wie beispielsweise Getränkeverbundkartons. © Plafco Fibertech Oy

So ist PLAFCO zwar papierähnlich, es hat aber gleichzeitig vergleichbare Eigenschaften wie Plastik und kann so viele Kunststoff- und Hybridprodukte ersetzen - allerdings mit durchgängig positiven Eigenschaften. Pluspunkte des neuartigen Materials sind unter anderem, dass es vollständig biologisch abbaubar und kompostierbar ist und Umwelt und Gewässer schont. Zudem ist es nahezu unbegrenzt wiederverwertbar: „Wir können mit PLAFCO direkt an Recyclingkreisläufe der Papierindustrie – also schon funktionierende Systeme – andocken und damit eine fast maximale Recyclingquote und exzellente Wertschöpfung erreichen“, so Valkama. „Damit haben wir nicht nur ein vielversprechendes Material bekommen, sondern auch noch ein sehr interessantes im Sinne der Bioökonomie.“

Das Rohmaterial für das Vliespapier als Ausgangsstoff für PLAFCO ist Holz: Sägemehl oder Reststoffe aus der Holzverarbeitung. „Es gibt für mich nichts Nachhaltigeres als Holz“, sagt der Ingenieur. Von einjährigen Pflanzen, die auf den Feldern mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren, hält er nicht so viel. „Das läuft in der Papierindustrie alles sehr nachhaltig ab, es kommen nur Rohstoffe aus zertifizierten Wäldern zum Einsatz, daraus steht uns Zellstoff in riesigen Mengen zur Verfügung. Und das auch noch zu einem attraktiven Preis, der sich so schnell nicht ändern wird. Das kann Bio-Plastik nicht leisten.“

Suche nach Investoren schwierig

Die positive Resonanz auf das neuartige Material ist bereits groß, wie Auszeichnungen wie der Innovationspreis NEO2020 oder der Blue Sky Young Researchers Award 2017/18 zeigen. Jedoch ist die konkrete Umsetzung in Produkte gar nicht so einfach, wie man meinen könnte: Das ursprüngliche EU-Projekt zur Entwicklung des neuartigen Plastikersatzprodukts wurde gemeinsam mit Partnern durchgeführt. Und nachdem man PLAFCO zum Patent angemeldet hatte, bot man den Partnern an, das Material zur Marktreife weiterzuentwickeln. „Das waren aber hierfür leider die falschen Partner, keiner wollte das Risiko eingehen“, wie Valkama berichtet. „Deshalb habe ich das alleine gemacht, habe Kollegen und Freunde als Team gewonnen und die Firma Plafco Fibertech Oy gegründet. Wir haben das Patent privat gekauft und 2017 angefangen, PLAFCO zu industrialisieren.“

Allerdings fehlt bislang immer noch eine entsprechende Anlage, 2,5 Mio. Euro würde eine Pilotanlage kosten. „Das ist aber wie die Sache mit Huhn und Ei: Wir würden das Geld sofort bekommen, wenn wir zeigen könnten, dass eine solche Anlage funktioniert – aber ohne Anlage ist das schlecht.“, sagt der Wissenschaftler und Firmengründer. „Es war bisher eigentlich immer das Gleiche: man kommt bei den Verhandlungen sehr weit, aber kurz vor Abschluss ist es den Investoren dann doch zu riskant. Doch wir wissen, dass wir etwas Gutes haben, und momentan sieht die Suche nach Investoren auch ganz gut aus. Wir stehen tatsächlich kurz davor, in Baden-Württemberg etwas konkret realisieren zu können.“

Pilotanlage in Baden-Württemberg geplant

Eine Kaffeetasse mit dem Plafco-Logo, in der viele weiße Strohhalme aus PLAFCO stecken.
Strohhalme aus PLAFCO sind genauso stabil wie solche aus Plastik, die in der EU bald verboten sind – wie auch andere Einwegprodukte aus Kunststoff. © Plafco Fibertech Oy

Geplant ist erst einmal eine eher kleine Anlage – „Low hanging fruits“, wie Valkama sie bezeichnet. Konkrete Produkte, die dort hergestellt werden könnten, gibt es schon. „Wir haben zum Beispiel super Strohhalme aus PLAFCO gemacht, die sehr stabil und einfach zu produzieren sind. Auch mehrlagige Gegenstände wie Einwegbesteck und –geschirr – sie sind ja aus Plastik ab Juli 2021 EU-weit verboten – und das wäre daher für uns ein exzellenter Einstieg in den Markt. Außerdem im Repertoire haben wir Verpackungen aller Art, für feste und für flüssige Produkte, oder ebenso Wellpappe. Auch für den medizinischen Bereich könnten wir Lösungen bieten.“

Die eher kleine Pilotanlage könnte nach Schätzungen des Wissenschaftlers rund fünf Millionen Kilogramm PLAFCO pro Jahr liefern; später wären mit größeren Maschinen hunderttausende Tonnen im Vierschichtbetrieb denkbar. „Das ist dann aber eine ganz andere Kategorie, die der Massenprodukte“, sagt Valkama. „Starten würden wir gerne erst einmal mit den Exoten, die einen höheren Preis, aber weniger Volumen haben.“ Geplant sind für den Bau der Anlage sechs Monate. Starten könnte man sofort, denn sie ist mit dem Maschinenbauer schon bis ins Detail fertig konstruiert. „Hier sitzt schon jede Schraube, und wir rechnen fest damit, dass wir noch in diesem Jahr mit der Produktion an einem baden-württembergischen Standort starten können.“ Dann gäbe es auch für weitere Investoren keinen Grund mehr, vor einem Engagement in eine größere Anlage zurückzuschrecken. „Denn die Kleinanlage funktioniert dann ja“, schließt der Plafco-Gründer.

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