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Safrananbau in Deutschland – nachhaltig durch Roboterunterstützung
Safran ist eines der teuersten Gewürze, die es gibt, denn es wird in aufwendigster Handarbeit gewonnen. Deshalb kommt diese Kostbarkeit meist aus Ländern wie dem Iran zu uns, wo die Arbeitsbedingungen schlecht sind und die Löhne billig. Bis jetzt: Denn das Start-up Innovation Matters entwickelt ein robotergestütztes, automatisiertes Verfahren, mit dem der Anbau auch für die heimische Landwirtschaft attraktiv wird – ökologisch und fair sowie mit Potenzial für weitere Anwendungen.
Safran erhält man aus den Blüten des Safrankrokusses. Leider nur in geringsten Mengen, denn für das Gewürz kann lediglich der Griffel mit den Narben der Blüte verwendet werden. Für nur wenige Gramm benötigt man daher mehrere Tausend Blüten - ein Kilo des „Roten Goldes“ bringt mehrere Tausend Euro ein.
Aber nicht nur dieser zeitaufwendigste Teil der Safrangewinnung aus der Pflanze ist arbeitsintensiv, sondern auch Anbau und Ernte der Knollen und Blüten selbst: Sie können nur einmal im Jahr während zwei Wochen im Herbst gezupft werden. Und das Feld muss in dieser Zeit regelmäßig abgeschritten und kontrolliert werden, denn die Knollen blühen unregelmäßig, und der perfekte Erntezeitpunkt variiert von Pflanze zu Pflanze. Ganz zu schweigen von den üblichen Maßnahmen zur Feldpflege. Sind die drei kostbaren Gewürzfäden pro Blüte von Hand gezupft, werden sie auf die richtige Länge geschnitten und getrocknet. Dabei ist die Länge des Fadens sehr bestimmend über den Wert des Safrans. Alles viel zu aufwendig für die heimische Landwirtschaft und in Deutschland ökonomisch deshalb nicht rentabel - bisher.
Roboter Oscar hat bereits die erste Blütenernte absolviert
Nun entwickelt ein studentisches Start-up aus dem Neckar-Odenwald-Kreis ein Verfahren, mit dem die Safranernte und -gewinnung ohne Handarbeit durchgeführt werden könnte: „Oscar“ heißt das Herzstück der Innovation Matters GbR und ihrem Projekt "SafranMatters" aus Haßmersheim und ist ein Roboter, der bereits eine Blütenernte erfolgreich bewältigt hat. „Wir arbeiten an einer einfach skalierbaren, ökologischen und lokalen Technologie, die den sklavenähnlichen Verhältnissen bei der Safranernte in einigen der heutigen Produktionsländer ein Ende machen soll – von dort stammt derzeit rund 80 Prozent des Safrans in unseren Läden“, berichtet Lorenzo Di Leo, Mitgründer und zuständig für die Betriebswirtschaft des Projekts SafranMatters. „Unser Ziel ist es, dass der Roboter autonom über ein großes Feld fährt, die Blüten erkennt, schneidet, dann in einem zweiten Schritt auch noch die Safranfäden abtrennt und gesammelt dem Landwirt übergibt.“
Ein erster Funktionsprototyp existiert mit Oscar bereits: Der kleine hölzerne Helfer, der an eine Seifenkiste beladen mit viel Hightech erinnert, kann bereits autonom über das Feld fahren und Blüten erkennen. Eine Computersteuerung ermittelt genau die Stelle, wo die Blüte abgetrennt werden muss, und ein messerscharfer Greifer übernimmt die Aktion. Die Blüten werden gesammelt. „Damit haben wir 2022 schon 2.500 m2 abgeerntet, die komplett überblüht waren und tatsächlich insgesamt 200 g Safran gewonnen“, sagt Di Leo. „Mit einer solchen Menge hatten wir noch gar nicht gerechnet, das hat unsere Erwartungen übertroffen.“
Produkt ist die Automatisierungstechnologie
Die Selektion – also die Gewinnung der Safranfäden aus der Blüte – ist für Oscar noch zu viel: „Diese Aktion haben wir noch nicht praktisch umgesetzt“, erklärt der Experte. „Die Konzepte hierfür sind aber schon entwickelt und sollen in naher Zukunft in einem zweiten Prototyp umgesetzt werden.“ Zudem möchte das Team den Horizont von Oscar erweitern und ihm weitere Funktionen geben, beispielsweise die Fähigkeit, Daten über Pflanzen oder den Zustand des Feldes zu erheben und dem Landwirt zur Verfügung zu stellen. „Das ist kein großer Mehraufwand“, so Di Leo. „Die Schritte an sich sind kurz – die konkrete Entwicklung aber schon aufwendiger.“ Außerdem könnte Oscar zukünftig mithilfe der Daten auch konkret eingreifen: also bodennahe Pflegearbeiten wie die Unkrautentfernung übernehmen. Das würde die Anwendungsmöglichkeiten auch über die Safrankultivierung hinaus erweitern.
Safran selbst zu produzieren, hat man bei SafranMatters jedoch derzeit nicht geplant: „Wir haben zwar unser Testfeld, sehen aber die Automatisierung als unser eigentliches Produkt“, sagt der Wirtschaftsingenieur. Safran habe in Deutschland mit etwa 1,3 Tonnen zwar einen deutlichen Marktwert, sei aber mit einer Inlandsproduktion von lediglich vier Kilogramm durch einzelne kleine Bauern aber weit von einer regionalen Abdeckung entfernt. „Wir denken, dass ein deutscher Safranmarkt bis zu zehn Tonnen hergeben könnte und man dann sogar auch zum Nettoexporteur werden könnte. Dies entspräche etwa der heutigen Produktionsmenge von Spanien. Hier wollen wir ansetzen und der heimischen Landwirtschaft eine rentable neue Anbauoption ermöglichen. Denn dass sich das lohnen würde, haben wir durchgerechnet: Mit 1 Hektar Zuckerrüben verdient man ca. 2.500 Euro, mit der gleichen Fläche Safran konservativ 40.000 Euro. Zudem sind die Knollen pflegeleicht und unkompliziert – haben einen Lebenszyklus von fünf Jahren und bilden in dieser Zeit zahlreiche Tochterknollen.“
Auch in Südeuropa, wo viel Safran produziert wird, sehen die jungen Gründer ein großes Potenzial für ihre Automatisierungslösung. Könne man die Technologie exportieren – etwa nach Spanien oder Italien – würde dies die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Ländern stärken und dadurch Kinderarbeit und mangelhafte Arbeitsbedingungen auf Dauer unrentabel machen.
Infokasten: Safran
Safran (Crocus sativus) ist eine Krokusart, aus deren Narben das ebenfalls Safran genannte rötliche Gewürzpulver gewonnen wird. Die Safranknolle treibt im Herbst und wird bisher nur sehr vereinzelt in Deutschland, überwiegend in Südeuropa sowie in asiatischen Ländern wie dem Iran oder Afghanistan angebaut. Hauptsächlich kommt Safran als Gewürz zur Anwendung, gilt aber auch als medizinisch wirksam, beispielsweise bei mittelschweren Formen von Depressionen und wird weiterhin in Forschungsprojekten weltweit untersucht. In den Verkauf gelangt das Gewürz meist als Safranfäden, seltener in Pulverform. Pulverisiert besteht die Gefahr der Fälschung der kostbaren Substanz, etwa durch Streckung mit Färbemitteln.
Erste Versuche im eigenen Garten
Momentan hat das fünfköpfige Team aus Maschinenbau-, Agrar- und Wirtschaftsingenieuren, dei sich überwiegend noch im Studium befinden, noch alles eigenfinanziert. Unterstützt durch Familie und Freunde, begannen die drei Gründer Frieder und Thomas Matter sowie Marius Steger zunächst im heimischen Garten zu testen, ob Safrankrokusse unter vergleichsweise kühlen deutschen Klimabedingungen überhaupt wachsen. Das Ergebnis war mehr als überzeugend: Bereits im ersten Jahr war alles komplett überblüht, und man wechselte im folgenden Jahr auf das eigene Testfeld, das die Familie bis dahin in Nebenerwerbslandwirtschaft bewirtschaftete. Eine erste Unterstützung kommt nun aus der Dotierung des Innovationspreises Bioökonomie 2022, den SafranMatters vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im September erhalten hat.
Kontakt mit potenziellen Kunden hat das Team von SafranMatters schon: „Wir wollen demnächst Safranbauern aus Deutschland erste Testprodukte zur Verfügung stellen und dann Daten aus Ernten „echter Kunden“ sammeln. Denn diese bewirtschaften bislang maximal je 1 Hektar und vermarkten ihr Produkt eher über lokale Events. Die nächste Ernte planen wir dann mit Landwirten, die bisher noch keine Erfahrung im Safrananbau haben.“ Hinzu sollen Interviews mit zukünftigen Kunden und Nutzern kommen, um Oscar und seine Nachkommen zu optimieren und weiterzuentwickeln.