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Vom Anbau bis zum Verkauf – die Alblinsen
Komplizierter Anbau, schwankende Erträge und aufwendige Reinigung: Leisa – so heißen Linsen auf Schwäbisch – sind anspruchsvoll. Um wirtschaftlich produzieren zu können, haben sich auf der Schwäbischen Alb 130 Landwirte zur Öko-Erzeugergemeinschaft Alb-Leisa zusammengeschlossen und lassen ihre Linsenernte von den Lauteracher Alb-Feld-Früchten verarbeiten und vermarkten.
Die Linse ist eine krautige Pflanze, die je nach Sorte bis zu 50 cm hoch wird. Alleine angebaut, legt sie sich gerne um, vor allem wenn es stark regnet. Das erschwert die Ernte und erhöht das Risiko für Pilzkrankheiten. Daher werden Linsen meist zusammen mit einer Stützfrucht angebaut. Für die Landwirte der Öko-Erzeugergemeinschaft Alb-Leisa auf der Schwäbischen Alb haben sich Hafer, Braugerste und Leindotter als Stützfrüchte für die von ihnen angebauten Linsensorten bewährt. Um den Linsenanbau zu stärken, haben sich zwei Landwirte aus der Erzeugergemeinschaft auch an den Feldversuchen im Projekt Rhizo-Linse beteiligt. Ziel des Projekts ist es, die Stickstoffversorgung der Linsenpflanzen auf natürliche Weise zu verbessern und das bioökonomische Potenzial im Linsenanbau zu identifizieren.
Begonnen hat alles auf dem Bioland-Hof Mammel in Lauterach, der seit 1985 Linsen anbaut, anfangs auf wenigen Hektar. Die Nachfrage wurde immer größer, sodass mehr Bauern Linsen anpflanzten. Die Erzeugergemeinschaft wurde 2001 gegründet und zählt heute 130 Landwirte, die auf insgesamt 400 bis 450 ha Alb-Linsen kultivieren. Sie alle gehören einem ökologischen Anbauverband an und beziehen das Saatgut für Linsen und Stützfrüchet von den Lauteracher Alb-Feld-Früchten. Das ebenfalls Bioland-zertifizierte Unternehmen ist aus dem Bioland-Hof Mammel hervorgegangen und wurde 2009 von Lutz Mammel übernommen, damals noch unter anderem Namen. Hier ist er mit zwölf Mitarbeitern damit beschäftigt, die Linsenernte anzunehmen, aufzuarbeiten, zu verpacken und zu vermarkten. Neben Linsen sind Buchweizen, Leindotteröl, Nudeln, Leinsamen, Hanfsamen und Nacktgerste die wichtigsten Eigenprodukte. Im Hofladen kaufen etwa 1.000 Kunden pro Jahr ein, über einen Onlineshop werden jährlich über 8.000 Pakete verschickt. Zudem werden 1.300 Einzelhändler, 100 Unverpackt-Läden sowie 450 Gastro-und Großküchen mit Produkten beliefert.
Auf einem Acker werden mindestens sechs Jahre Linsenpause eingelegt
„Die Mitglieder der Öko-Erzeugergemeinschaft sind über Anbauverträge mit den Lauteracher Alb-Feld-Früchten verbunden“, erklärt Franz Häußler, der dort die Linsenbauern betreut. Das sind einjährige Verträge, in denen festgelegt wird, wie viel Hektar Linsen pro Anbaujahr ausgesät werden, und welche Linsensorte mit welcher Stützfrucht angebaut wird. Außerdem wird festgehalten, was in den Vorjahren auf dem Acker kultiviert wurde. „Es müssen mindestens sechs Jahre Linsenpause eingehalten werden, weil die Fruchtfolgekrankheiten sonst den Ertrag schmälern bis ganz ausfallen lassen“, beschreibt Häußler. „Linsen sind heikel“, sagt er.
Die Erzeugergemeinschaft baut drei Linsensorten an: Späths Alblinse I „Die Große”, Späths Alblinse II „Die Kleine” und die Dunkelgrüne marmorierte Linse. Sie alle können mit Leindotter und Hafer angepflanzt werden, die Dunkelgrüne auch mit Braugerste. Die Ernte nehmen die Lauteracher Alb-Feld-Früchte auf der südlichen Alb sowie zwei weitere Landwirte auf der westlichen und mittleren Alb an. Dort werden Linse und Stützfrucht im ersten Schritt bei maximal 40 °C bis zu einem Feuchtigkeitsgehalt der Linsen von 13 Prozent getrocknet. Das Trocknungsgut wird dabei immer wieder durchmischt und mit Sieben von Sand, Steinen und Unkrautsamen vorgereinigt. So getrocknet kann die Ernte mehrere Wochen gelagert werden. Alle weiteren Reinigungsschritte werden in Lauterach durchgeführt.
Trieur trennt Rundes und Längliches
Dort wandern Linsen und Stützfrucht im nächsten Schritt in den Trieur. Dieser trennt die runden Linsen von der länglichen Stützfrucht. „Das geht umso besser, je unterschiedlicher Rundes und Längliches sind“, sagt Häußler. Der Trieur besteht aus einer Blechtrommel, in der innen Vertiefungen eingearbeitet sind, in die die runden Linsenkörner ganz hineinpassen, die längliche Stützfrucht aber formbedingt nicht ganz. Dreht sich die Trommel, bleiben die beiden Körnersorten unterschiedlich lang in den Vertiefungen, bevor sie herausfallen und können so an verschiedenen Stellen gesammelt werden. Als Ergebnis dieses Reinigungsschrittes erhält man Linsen und Stützfrucht jeweils mit Verunreinigungen.
Im nächsten Schritt trennt der Gewichtsausleser Schweres von Leichtem. Diese Maschine besteht aus einer schräg stehenden Platte, aus der Luft strömt. Linsen und Verunreinigungen werden durch den Luftstrom zum Schweben gebracht und ordnen sich dabei entsprechend ihres Gewichts an: Schweres sinkt nach unten, Leichtes wandert nach oben. Da die Platte gleichzeitig noch rüttelt, wandern die schweren Teilchen bergauf, und die leichten fließen über die schweren Teilchen bergab. Die Rüttelplatte hat verschiedene Abgänge und trennt Linsen, Klein- und Bruchkorn, Unkrautsamen, Steine, Erdbrocken und Spelzen voneinander.
Farbausleser pustet unerwünschte Körner aus
Im letzten Reinigungsschritt werden die Linsen durch den sogenannten Farbausleser geschickt. Diesen gibt es seit ungefähr vier Jahren bei Lauteracher. Im Computer wird eingestellt, welche Körnerfarbe nicht erwünscht ist und aussortiert werden muss. Die Linsen mit Verunreinigungen werden auf einer Rutsche vereinzelt. Am Ende der Rutsche werden sie im freien Fall von Kameras farblich analysiert und unerwünschte Körner blitzschnell ausgepustet. So können schlechte Linsen, Steine, Erdbrocken, Unkrautsamen, Klein- und Bruchkorn aussortiert werden. Der Farbausleser kann eine Tonne Linsen pro Stunde reinigen. Bei ihm liegt ein begrenzender Faktor, was die Linsen-Stützfrucht-Kombination betrifft: Späths Alblinsen I und II lassen sich im Farbausleser schlechter von Braugerste trennen, da sie sich farblich zu ähnlich sind. Wie oft einzelne Reinigungsschritte wiederholt werden müssen, hängt von der Qualität der Ernte ab. „Weil es sehr nass war, hatten wir 2021 mit 100 Tonnen weniger als die Hälfte des üblichen Ertrags, aber mehr Aufwand“, beschreibt Häußler.
„Würden wir die Linsenreinigung heute neu bauen, würden eine Mio. Euro nicht reichen“, sagt er. Aber sie ist nach und nach entstanden, es wurde viel gebastelt und optimiert. Die Reinigung ist in alten Gebäuden des Biohofs untergebracht, verpackt wird in einem Neubau. Siebausleser und Trieur gab es bereits, Gewichts- und Farbausleser waren dagegen sehr große Investitionen und wurden extra für die Linsenreinigung angeschafft. Diese können mit geänderten Einstellungen aber auch anderes Erntegut bearbeiten.
Verpackung ist Mischung aus Hightech und Handarbeit
Die endgereinigten Linsen werden direkt verpackt. „Das ist eine Mischung aus Hightech und Handarbeit“, erklärt der Altbauer. In einer Mehrkopfwaage werden die Linsen in Zellophantüten abgefüllt und automatisch verschlossen. Die 500 g-Beutel werden von Hand in Faltschachteln geschoben und zu 24 in Kartons gepackt. Die Stützfrüchte beschreiten unterschiedliche Wege: Die Braugerste wird in der Regel direkt nach der Trennung von den Linsen an eine Bio-Brauerei geliefert. Bruchlinsen werden zu Mehl vermahlen und verkauft oder weiter zu Nudeln verarbeitet. Leindotter wird im Farbausleser gereinigt und dann zu Öl gepresst. Hafer und Reste, die den Qualitätsansprüchen nicht genügen, gehen als Futtergetreide an Tierhaltebetriebe innerhalb der Erzeugergemeinschaft.
Was die Zukunft der Linsen betrifft, sieht Häußler bei der Vermarktung gar kein Problem. Grenzen setzen aus seiner Sicht die langen Anbaupausen und die Verarbeitung. Die Linsenbauern müssten bereit sein, Risiken mitzugehen und das Ganze langfristig sehen. Es herrsche eine große Solidarität unter den Linsenbauern. Auch kleine Landwirte und Nebenerwerbsbetriebe können einsteigen und sich bei den größeren und besser ausgestatteten Betrieben anhängen. „Das ist Kleinbauernerhaltung“, freut er sich. „Landwirte werden immer mehr zu Einzelkämpfern. Da ist die Öko-Erzeugergemeinschaft das Gegenstück, das beflügelt mich am meisten.“
Das Projekt „Rhizo-Bakterien-gestützte Optimierung des Linsenanbaus unter Berücksichtigung bioökonomischer Wertschöpfung“wird von März 2019 bis Ende März 2022 im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP-AGRI) mit einer Summe von 655.500 Euro vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg gefördert.