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Biogas – die Energie der Zukunft?
Biogas ist neben Sonnen-, Wasser-, und Windenergie eine regenerative Energiequelle, die zur Einsparung fossiler Brennstoffe beiträgt. Die etwa 7.100 Biogasanlagen in Deutschland, von denen 796 (Stand 2011) in Baden-Württemberg stehen, machten 2010 immerhin 11 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien aus. Das energiereiche Methan, Hauptbestandteil des Biogases, entsteht beim anaeroben Abbau organischer Stoffe durch Bakterien und treibt Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung an. Optimale Erzeugungsmethoden sind allerdings noch nicht erreicht. Aktuelle Forschungen beschäftigen sich unter anderem mit Prokaryoten, die mit Energiemengen an der Untergrenze zur Lebensfähigkeit Stoffwechsel betreiben.
Biogas entsteht beim natürlichen Abbau organischer Stoffe durch Bakterien. Dabei kann es durch Wiederverwertung von Abfällen oder aus Pflanzen gewonnen werden. Mögliche Ausgangsprodukte sind zum Beispiel Biomüll, Fleischabfälle, Klärschlamm, Gülle, Mist und Energiepflanzen. Hauptbestandteile von Biogas sind Methan mit durchschnittlich 60 Prozent, Kohlenstoffdioxid mit durchschnittlich 35 Prozent und bis zu 10 Prozent Wasserdampf. Zur Energiegewinnung nutzbar ist allerdings nur das Methan. Je nach Ausgangsmaterial unterliegen die Werte jedoch großen Schwankungen. Der hohe Methananteil macht Biogas zu einem sehr energiereichen Brennstoff.
In den letzten Jahren sind in Deutschland, dem Weltmarktführer in der Biogastechnologie, 25 Bioenergieregionen entstanden, von denen zwei in Baden-Württemberg liegen. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, möglichst viel Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien zu gewinnen und beherbergen einige Bioenergiedörfer. Die 32 in Baden-Württemberg, das sind mehr als ein Drittel aller Bioenergiedörfer Deutschlands, beziehen den Großteil ihrer Energie aus umweltschonenden Anlagen wie Bioreaktoren. Solar- und Windenergie gehören ebenfalls zum Repertoire, unterliegen im Gegensatz zu Biogas aber wetterbedingten Schwankungen. Biogas ist dagegen immer verfügbar, kann gespeichert werden und somit Engpässe kompensieren. Zudem können Biomasseanlagen flexibel reguliert werden und an das Verhältnis von Energiebedarf und Verfügbarkeit von Sonnen- und Windenergie angepasst werden. Nach der Vergärung der Biomasse kann der übrigbleibende Gärrest zur Düngung auf Felder ausgebracht werden.
Bakterien als kleine Helfer
Die mikrobielle Erzeugung von Biogas birgt viel Potenzial, das noch nicht ausgeschöpft ist. So birgt der Gärungsprozess immer noch das Risiko, durch Übersäuerung zum Erliegen zu kommen. Ziel heutiger Forschung und Entwicklung ist es, die Produktionseffektivität zu steigern. Wichtige Helfer in der Produktion von Biogas sind Bakterien, welche in sauerstofffreien Behältern organische Stoffe in ihre Bestandteile zerlegen. Dabei produzieren sie in mehreren Schritten Säuren und Gase wie Essigsäure, Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid und letztendlich Methan. Die Sauerstofffreiheit der Biogasreaktoren ist von erheblicher Bedeutung, denn nur so setzen Mikroorganismen das energiereiche Methan frei. In einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre würde der effektivere aerobe Stoffwechsel den Großteil der Energie aufbrauchen, anstatt ihn ungenutzt in Methanform entweichen zu lassen.
Um die Methangasproduktion zu optimieren, stehen deshalb die Bakterien im Vordergrund aktueller Forschungen. Beispielsweise befasst sich ein Forschungsprojekt an der Universität Konstanz mit der Überlebensfähigkeit von Prokaryoten in tiefen Sedimentschichten. In der sauerstofffreien Umgebung müssen diese mit Energiemengen an der Untergrenze zur Lebensfähigkeit auskommen, die nicht einmal ausreichen, um den universellen biologischen Energieträger Adenosintriphosphat (ATP) zu bilden. Weil die Mikroorganismen diesen aber brauchen, um Stoffwechsel betreiben zu können, formen sie Kooperationen und teilen die Energie.
Andere Forschungen an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz konzentrieren sich auf Lignozellulose-abbauende Darmmikrobiota von Termiten. Sie sind für etwa 17 Prozent der weltweiten Methanerzeugung verantwortlich, was immerhin einen Anteil von 100 Millionen Tonnen ausmacht. Damit thematisiert die Forschung das Problem der Zersetzung von Zellulose im Biogasreaktor. Obwohl die vielfältigen Mikroorganismengemeinschaften fast alle Stoffe abbauen können, bestehen speziell hierbei noch Schwierigkeiten. Durch die Fähigkeit, auch Ernteabfälle und Gräser zu verwerten, konnten Biomasseanlagen in den letzten zwei Jahren dennoch bereits viel an Attraktivität gewinnen.
Koppelung von Kraft- und Wärmeenergie
Da die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme am produktivsten ist, sind in Deutschland biogasbetriebene Blockheizkraftwerke am verbreitetsten. In diesen bleibt die entstehende Abwärme – im Gegensatz zu herkömmlichen Kraftwerken – nicht ungenutzt, sondern beheizt beispielsweise Schwimmbäder sowie Wohn- und Treibhäuser. Die nach der Stromerzeugung übrigbleibende Wärme wird dazu üblicherweise in Wasser gebunden, welches Heizungen speist. Der Strom selbst wird von einem Generator erzeugt, der durch einen Verbrennungsmotor angetrieben wird.
Ressourcensparende Aufbereitung im Visier
Biogas kann aber nicht nur speziell errichtete Kraftwerke antreiben, sondern auch in bestehende Erdgasnetzwerke eingespeist werden, was besonders bei Überschuss attraktiv ist. Um Erdgasqualität zu gewährleisten, muss das Biogas zwar aufbereitet werden, zukünftig könnte dieser Schritt durch effizientere Produktionsmethoden aber wegfallen. Forscher an der Universität Hohenheim entwickeln derzeit ein neues Verfahren zur Biogasherstellung mit 40 Prozent Kostenersparnis. Dazu nutzen sie die Druckbeständigkeit der Bakterien, um einer umständlichen Aufbereitung vorzubeugen. Der hohe Druck hält das Biogas bereits während der Produktion rein, wodurch es direkt in Erdgasnetzwerke eingespeist werden kann.
Momentan erfordert die Nutzung von Biogas aber noch dessen aufwendige Aufbereitung. Nicht nur um Kraftfahrzeuge zu betreiben oder es in Erdgasnetzwerke einzuspeisen, sondern auch für den herkömmlichen Betrieb von Blockheizkraftwerken. Zum Schutz vor Korrosion wird dem Biogas zunächst der Wasserdampf und der Schwefelwasserstoff entzogen. Für weitere Aufbereitung zu Erdgasqualität ist ferner die Abtrennung des Kohlenstoffdioxids nötig. So kann ein Methananteil von annährend 100 Prozent erreicht werden. Infolge der unterschiedlichen Qualitätsansprüche der deutschen Erdgasnetze müssen dem Biogas, je nach Anforderung, zusätzliche Stoffe wie Luft oder Flüssiggas beigemischt werden.
Maiswüsten statt Artenvielfalt – neues Gesetz soll Schaden begrenzen
Neben den vielen Vorteilen von Biogas sind durch die staatliche Förderung allerdings Fehlanreize gesetzt und Monokulturen gefördert worden. So stieg die Landnachfrage zum Anbau von Energiepflanzen, hauptsächlich Mais, stark an. Infolgedessen schossen die Pachtkosten von Agrarflächen in unangenehme Höhen. Des Weiteren ist der verstärkte Anbau von Energie- statt Nahrungspflanzen fraglich. Die Lebensmittelpreise sind auf Grund des verminderten Angebotes bereits gestiegen. Zudem zieht der zunehmende Import von Bio-Waren aus dem Ausland durch den Transport höhere CO2-Emissionen nach sich. Abgesehen davon beeinträchtigen die Monokulturen die Artenvielfalt.
Um dem großflächigen Anbau und den damit verbundenen Problemen entgegenzuwirken, beschloss die Bundesregierung unlängst die Überarbeitung des Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), in dem auch die Förderung von Biomasse festgehalten ist. Die seit Anfang 2012 geltende Neuregelung begrenzt die Getreidenutzung auf 60 Prozent, begünstigt bislang weitgehend ungenutzte Gülle und stärkt kleinere Anlagen. Die Ansätze gehen zwar in die richtige Richtung, dennoch ist die Umsetzung nach verbreiteter Expertenmeinung bislang gescheitert. Zu viele Schnitzer in der zügigen Gesetzesüberarbeitung, um die Energiewende voranzutreiben, lassen Fachleuten zufolge die Attraktivität von Biogas schwinden. Beispielsweise ist die Vorgabe einer 60 prozentigen Wärmenutzung für kleine Anlagen problematisch, wogegen Kohlekraftwerken keine Wärmenutzung vorgeschrieben ist. Auch der Zusammenschluss Biogasrat e.V. drängt auf eine vernünftige Vergütung, ehe Kunden zu attraktiver geförderten fossilen Brennstoffen zurückkehren.