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Kohlenstoffbindung

Carbon Farming – Klimaschutz auf dem Feld?

Der Landwirtschaft kommt für die Erreichung der europäischen Klimaziele eine Schlüsselrolle zu. Zentral hierfür sind Maßnahmen, die unter dem Begriff Carbon Farming zusammengefasst werden und oftmals zur freiwilligen Kompensation von Emissionen herangezogen werden. Auch zwei baden-württembergische Unternehmen – CarboCert und Carbonfuture – sind in diesem Bereich aktiv und stellen sich Fragen zu Herausforderungen und Potenzialen des Carbon Farmings.

Spätestens mit der Veröffentlichung des Europäischen Klimagesetzes 2021 ist das Ziel des klimaneutralen Wirtschaftens in aller Munde. Im Rahmen der Klimaschutzziele werden alle Wirtschaftssektoren in die Pflicht genommen. Eine herausragende Rolle kommt hier der Landwirtschaft zu: Einerseits ist sie für rund zehn Prozent der Treibhausgasemission der Europäischen Union verantwortlich. Andererseits fixieren Pflanzen durch Photosynthese Kohlenstoff aus der Luft, lagern diesen in der Biomasse ein und sorgen so dafür, dass zumindest Teile davon als Humus gespeichert werden. Landwirtschaftlich genutzte Böden können der Atmosphäre also effektiv Kohlenstoff entziehen, diesen klimaunschädlich machen und somit als Kohlenstoffsenken fungieren – zentrale Bausteine für die Erreichung der anvisierten Klimaneutralität. Denn auch in Zukunft wird es immer ein Mindestmaß an unvermeidlichen Emissionen geben, die im Sinne der Neutralität auszugleichen sind.

Aus diesem Grund weist die Europäische Kommission der nachhaltigen Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen und der Schaffung von Kohlenstoffsenken eine zentrale Rolle für die Erreichung der europäischen Klimaziele zu.1) Dabei wird das Potenzial der Landwirtschaft meist als Carbon Farming bezeichnet. In der öffentlichen Wahrnehmung versteht man darunter im Allgemeinen ackerbauliche Maßnahmen, die zu Erhalt und Erhöhung des in Agrarflächen gespeicherten Kohlenstoffs beitragen.

Humusaufbau, Biokohle und Moore – Kohlenstoffspeicherung in der landwirtschaftlichen Praxis

Agrarlandschaft - über die gesamte Bildbreite reichendes Feld vor einer Baumreihe, hinter der sich ein Dorf versteckt, welches nur durch einen Kirchturm angedeutet ist. Im Hintergrund blauer Himmel mit wenigen Wolken.
Agrarwirtschafltich genutzte Böden bilden das Kernelement des Carbon Farming im engeren Sinn. © Lubos Houska / Pixabay

Im Carbon Farming stehen eine Reihe möglicher Maßnahmen zur Wahl: Als zentral gelten Ansätze, die einen erhöhten Eintrag organischer Substanz in den Boden fördern und den Humusaufbau sicherstellen. Hierzu gehören beispielsweise der verstärkte Anbau von Zwischenfrüchten und Untersaaten oder das Einarbeiten von Ernterückständen. Förderlich kann ebenso der Anbau von Dauerkulturen wie Miscanthus sein.2) Durch die Ausbildung von weit verzweigten Wurzelsystemen über längere Zeiträume kann Kohlenstoff so in tiefere Bodenschichten eingebracht werden. Ähnliche Vorteile bieten Agroforstsysteme, die Bäume, Sträucher oder Hecken mit Pflanzenbau oder Tierhaltung kombinieren und ideal an lokale Gegebenheiten angepasst werden können – in Baden-Württemberg beispielsweise in Form der Streuobstwiesen.3) Für all diese Ansätze gilt, dass sie neben einem möglichen Beitrag zum Klimaschutz gleichzeitig eine Vielzahl weiterer Synergieeffekte schaffen: So gelten Böden mit höheren Humusgehalten generell als resilienter und zeichnen sich durch höhere Wasser- und Nährstoffhaltekapazitäten aus. Darüber hinaus führt beispielsweise der Anbau von Zwischenfrüchten und Dauerkulturen zu einer verbesserten Bodenbedeckung, wovon die Bodenfauna profitiert, und wodurch die Gefahr von Bodenerosion sinkt.

Neben den bis hierhin genannten Maßnahmen gilt auch das Einbringen von Pflanzenkohle in den Boden als eine weitere mögliche Maßnahme des Carbon Farming. Da diese im Boden idealerweise nur sehr langsam abgebaut wird, können über längere Zeiträume große Kohlenstoffmengen der Atmosphäre entzogen werden. Dabei fungiert die Pflanzenkohle zusätzlich als Bodenverbesserer: aufgrund von speziellen Oberflächeneigenschaften werden die Wasser- und Nährstoffhaltekapazität des Bodens verbessert.4)

Eine besondere Rolle kommt im Kontext des Carbon Farming auch (ehemaligen) Feucht- bzw. Moorgebieten zu. In der Vergangenheit war es weit verbreitet, diese trockenzulegen, um Raum für Agrarflächen zu schaffen. Allerdings binden solche Feuchtgebiete beträchtliche Kohlenstoffmengen, die durch Trockenlegungen freigesetzt werden können. Carbon Farming-Initiativen zielen daher auf den langfristigen Erhalt von bestehenden Mooren sowie die Wiedervernässung von trockengelegten Flächen ab, um Kohlenstoffsenken zu schaffen. In diesem Zusammenhang wird in Pilotprojekten versucht, Wertschöpfungsketten zu etablieren, die auf Anbau und der Nutzung von moorschonenden und -erhaltenden Pflanzen wie Schilf basieren.5)

Carbon Farming als Kompensationsmaßnahme

Aufnahme eines dichtbestandenen Feldes mit gelben und violetten Blüten. Im Hintergrund ist unscharf Weizen zu sehen.
Typische Maßnahme des Carbon Farming – Anbau von Zwischenfruchtmischungen © Didgeman / Pixabay

Vor dem Hintergrund zunehmender Klimaneutralitätsbekundungen durch Unternehmen, Regierungen und andere Organisationen gewinnen Ansätze zu Erhalt und Ausweitung von Kohlenstoffsenken stetig an Bedeutung und werden häufig als freiwillige Kompensationsmaßnahmen herangezogen. Entsprechend rückt das Carbon Farming immer stärker in den Fokus von Anbietern solcher Lösungen, zu denen unter anderem auch zwei baden-württembergische Unternehmen gehören:

CarboCert6) aus Bodnegg bei Ravensburg fokussiert sich auf Maßnahmen, die durch verstärkten Humusaufbau zur Kohlenstoffspeicherung in Agrarflächen beitragen sollen. Hierfür kooperiert man mit Landwirtinnen und Landwirten, die für humusfördernde Maßnahmen belohnt werden. Nachweislich im Boden gespeicherter Kohlenstoff wird dann Kunden als freiwillige Kompensationsmaßnahme in Form von Humus-Zertifikaten angeboten.

Einen anderen Ansatz verfolgt die Firma Carbonfuture aus Freiburg, wo man unter anderem auf den landwirtschaftlichen Einsatz von Pflanzenkohle setzt. Wie alle Anbieter von Kompensationsmaßnahmen müssen sich beide Unternehmen an drei Kriterien orientieren, um die Qualität ihrer Kompensationen zu gewährleisten: Messbarkeit, Langfristigkeit (Permanenz) und Zusätzlichkeit (Additionalität).

Jede Kompensationsmaßnahme sollte nachweislich messbar zur Kohlenstoffspeicherung beitragen. Bei CarboCert setzt man hierfür beispielsweise auf regelmäßige Bodenanalysen, die eine verlässliche Beobachtung des Humusaufbaus, beziehungsweise der Kohlenstoffspeicherung ermöglichen. Somit wird sichergestellt, dass bei der Erstellung neuer Zertifikate nur tatsächlich gebundener Kohlenstoff berücksichtigt wird.

Aufnahme innerhalb eines Miscanthusfelds: Im vorderen Drittel grasartige, grüne Pflanzen; im Zentrum eine Pflanze mit einem Blütenstand, der aus dichten, endständig angeordneten, Rispen besteht.
Dauerkulturen wie Miscanthus bringen über ihr Wurzelsystem Kohlenstoff in tiefere Bodenschichten ein. © Elena Magenau

Nur wenn Kohlenstoff langfristig – idealerweise über Zeiträume von Hunderten von Jahren – der Atmosphäre entzogen wird, kann vom klimarelevanten Effekt einer Senke ausgegangen werden. Diese Anforderung stellt für die meisten Kompensationsmaßnahmen aus dem Spektrum des Carbon Farming eine spezielle Herausforderung dar. Denn mit dem Ausbleiben einer Maßnahme, beispielsweise dem verstärkten Zwischenfruchtanbau, wird gespeicherter Kohlenstoff unter Umständen schnell wieder freigesetzt, und der Klimaschutzeffekt ist zunichte gemacht. Die Langfristigkeit einer Kompensationsmaßnahme muss daher bei der Bewertung immer mitgedacht und kritisch hinterfragt werden. Bei Carbonfuture sieht man genau hier das Potenzial der Pflanzenkohle. Man ist sich der Stabilität der ausgebrachten Pflanzenkohle über Zeiträume von über 100 Jahren sicher und berücksichtigt für die Erstellung der Kompensationszertifikate auch einen Abbau in geringem Maße und die damit einhergehende Wiederfreisetzung von Kohlenstoff.

Als drittes Qualitätskriterium gilt die Zusätzlichkeit. Eine Maßnahme sollte lediglich zur Kompensation genutzt werden, wenn sie über ohnehin geplante Aktivitäten hinausgeht. Speziell für Projekte, die Humusaufbau auf deutschen Agrarflächen fördern, kann diese Bestimmung herausfordernd sein. Der Grund: Der Erhalt von Humus ist auch bereits im deutschen Bodenschutzgesetz festgeschrieben. Daher ist es oftmals strittig, inwiefern entsprechende Projekte als Kompensationsmaßnahmen herangezogen werden können.

Einordnung, Potenzial & Ausblick

Vor dem Hintergrund der genannten Kriterien stellt sich die Frage, wie das Potenzial der Anwendung des Carbon Farming im Hinblick auf Klimaschutzmaßnahmen einzuschätzen ist. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die deutsche Landwirtschaft Senken in einer Größenordnung von 8 bis 15 Mio. t Kohlenstoffdioxidäquivalenten schaffen und dadurch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Diesem Potenzial stehen allerdings jährliche Emissionen von rund 106 Mio. t gegenüber, die auf landwirtschaftliche und damit verbundene Aktivitäten zurückzuführen sind.7) Dieses Ungleichgewicht macht aber deutlich, dass die Senken in einer klimaneutralen Zukunft in erster Linie für den Ausgleich unvermeidlicher landwirtschaftlicher Emissionen benötigt werden. Der Einsatz von Carbon Farming als Kompensationsmaßnahme von Aktivitäten in anderen Sektoren sollte daher kritisch hinterfragt werden. Nichtsdestotrotz strebt die Europäische Union aktuell die Einführung eines offiziellen Zertifizierungssystems für technische sowie agrar- und forstwirtschaftliche Kohlenstoffsenken an.8) Ziel ist es, langfristig einen geregelten Handel solcher Kompensationsmaßnahmen zu ermöglichen. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies auf Aktivitäten im Bereich des Carbon Farming auswirken wird.

Auch wenn der Einsatz zu Kompensationszwecken nicht in jedem Fall empfehlenswert scheint, sind Carbon Farming-Maßnahmen in jedem Fall zu begrüßen. Unabhängig von ihrer Funktion als Kohlenstoffsenke ziehen sie in der Regel eine Reihe von anderen positiven Effekten nach sich. Trotz dieser Vorteile sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die Reduktion von Treibhausgasemissionen das zentrale Ziel aller Klimaschutzmaßnahmen ist. Aus diesem Grund verwendet beispielsweise die Europäische Union zunehmend eine weiter gefasste Definition des Carbon Farming, die dieser Anforderung gerechter wird. Es ist zu hoffen, dass dieses Verständnis auch in der öffentlichen Wahrnehmung an Bedeutung gewinnt.

Literatur:

1) Communication from the Commission to the European Parliament and the Council. Sustainable Carbon Cycles {SWD(2021) 450 final} - {SWD(2021) 451 final}

2) Mehr zu Anbau und Nutzung von Miscanthus im Artikel „Providing Growledge – Ressourcen und Produkte für die Bioökonomie“ https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/providing-growledge-ressourcen-und-produkte-fuer-die-biooekonomie, 14.07.2022

3) Mehr zu Agroforstsystemen im Artikel „​​​​​​​Mit Agroforst nachhaltige Landwirtschaft betreiben“ https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/mit-agroforst-nachhaltige-landwirtschaft-betreiben, 14.07.2022

4) Mehr zu Herstellung und Nutzung von Pflanzenkohle im Artikel zu „NovoCarbo verarbeitet Pflanzenabfälle zu Pflanzenkohle​​​​​​​“​​​​​​​ https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/novocarbo-verarbeitet-pflanzenabfaelle-zu-pflanzenkohle​​​​​​​, 14.07.2022

5) Mehr zu Paludikulturen im Artikel „Moore als CO2-Speicher: renaturieren und gleichzeitig wirtschaften​​​​​​​“ https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/moore-als-co2-speicher-renaturieren-und-gleichzeitig-wirtschaften, 14.07.2022

6) https://www.carbocert.de/

7) Don, Axel 2022:. Nur die »große Lösung« funktioniert. DLG-Mitteilungen 05/2022

8) https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13172-Certification-of-carbon-removals-EU-rules_en

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/dossier/carbon-farming-klimaschutz-auf-dem-feld