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Die Alternative „Biokunststoff“

Schwer abbaubar und verschmutzt die Umwelt – Kunststoff. Dennoch ist er aus dem Alltag nicht wegzudenken. Umso wichtiger ist es eine sinnvolle Alternative zu finden. Die Alternative soll umweltfreundlich und nachhaltig sein. Sie soll bessere Eigenschaften aufweisen und funktionaler sein. Außerdem soll sie von der Abhängigkeit fossiler Ressourcen losgelöst sein. Ein Lösungsansatz: Biokunststoff.

Der Grund, warum Kunststoffe so populär sind, liegt an ihren positiven Eigenschaften – sie haben ein geringes Gewicht und ein sehr breites Einsatzspektrum in nahezu allen Lebens- und Arbeitsbereichen – vom Verpackungsmaterial über die Textilindustrie, Gebrauchsgüter, Automobilbereich bis hin zur Landwirtschaft – also nahezu überall. Der Nachteil: Die Produktion ist von einem hohen Energieaufwand und somit hohen CO2-Emissionen begleitet. Außerdem ist der Verbrauch fossiler Ressourcen wie Erdöl unter dem Aspekt der Verknappung und dem zukünftig ansteigenden Preis kritisch zu betrachten. Wird eine unzureichende Entsorgungspraxis miteinbezogen, vergrößern sich die Sorgen um ein Vielfaches. Denn wachsende Plastikstrudel in den Meeren, aber auch die Nachricht, dass Mikroplastik mittlerweile nicht nur in der Umwelt, sondern auch erstmals im menschlichen Darm gefunden wurde, sind alarmierend.

Wie viel „Bio“ steckt in Biokunststoffen?

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Übersicht über alle Kunststofftypen (Biokunststoffe und konventionelle Kunststoffe), eingeteilt nach ihrer Rohstoffquelle (biobasiert oder fossilbasiert) und ihrer Funktionalität (bioabbaubar oder nicht bioabbaubar). © BIOPRO Baden-Württemberg GmbH (eigene Darstellung auf Grundlage von European Bioplastics e.V.)

Der Begriff „Biokunststoff“ ist nicht geschützt, weswegen es auch keine einheitliche Definition gibt. Grundsätzlich lässt sich Biokunststoff aufgrund seines Kohlenstoff-Ursprungs von konventionellen Kunststoffen unterscheiden. So kommt der Kohlenstoff, der zum Aufbau des Biokunststoffs benötigt wird, aus biogenem Material und nicht aus fossilen Rohstoffen wie beispielsweise Erdöl.

Eine geläufige Einteilung von Biokunststoffen kann nach der chemischen Struktur vorgenommen werden. Man kann diese in zwei Gruppen einteilen, in Drop-In-Biokunststoffe und neuartige Biokunststoffe. Drop-In-Biokunststoffe gleichen in der chemischen Struktur konventionellen Kunststoffen, sie können 1:1 ersetzt werden. Neuartige Biokunststoffe bauen auf neuen chemischen Strukturen auf. Diese Biokunststoffe bringen daher andere Eigenschaften mit, durch die weitere Einsatzbereiche erschlossen werden können.

Auf Basis verschiedener Normen wie ASTM 6686, ISO 16620, EN 16785 oder DIN SPEC 91236 können biobasierte Produkte wie Biokunststoffe klassifiziert werden. Zur Überprüfung der Normen kommen Zertifizierungsgesellschaften wie die DIN CERTCO (Deutschland) ins Spiel.

Diese führen Zertifizierungsverfahren durch und vergeben zur Kennzeichnung des Biokunststoffs Labels wie „DIN-geprüft biobasiert“ oder „biobased %“. Nach DIN CERTCO werden biobasierte Kunststoffe in Qualitätsstufen von 20-50 Prozent, 50-85 Prozent, <85 Prozent biobasierten Kohlenstoffs ausgewiesen9,10. Es reicht also schon ein Anteil von 20 Prozent aus, um das Label „biobasiert“ tragen zu können. Der Wahrheitsgehalt und die ökologische Aussagekraft des Labels sind daher begrenzt. Auch in Bezug auf die Rohstoffquelle wird hier keine Aussage getroffen, aus ökologischer Sicht ist dies jedoch signifikant.

Als interessante Gruppe der Biokunststoffe zeichnen sich biologisch abbaubare (bioabbaubare) Biokunststoffe aus, die durch Mikroorganismen aerob (unter Sauerstoffzufuhr) oder anaeorb (ohne Sauerstoffzufuhr) zu verschiedenen Stoffwechselprodukten abgebaut werden können. Prinzipiell können solche Biokunststoffe, unter bestimmten Bedingungen, somit auch in der Umwelt abgebaut werden. Aus ökologischer Sicht und aus Sicht einer Kreislaufführung wäre dies der beste Weg. Dennoch ist es kein Freifahrtschein für das Entsorgen von Biokunststoffen in der Umwelt. In der Realität hängt nämlich der Abbau stark vom Biokunststoffmaterial und insbesondere von den Umgebungsbedingungen ab. Dies hat zur Folge, dass der Biokunststoff auf dem Weg zum vollständigen Abbau zunächst zerfällt und als Kunststofffragment in die Umwelt gelangt – das Problem Mikroplastik. Bis zum gänzlichen Abbau kann dann noch viel Zeit vergehen.

Werden Biokunststoffe konventionelle Kunststoffe ersetzen?

Der Anteil von Biokunststoffen am weltweiten Kunststoffmarkt beträgt ungefähr 2 Prozent, die jährliche Wachstumsrate 3 bis 4 Prozent, ähnlich der Wachstumsrate von konventionellen Kunststoffen3. In absoluten Zahlen wird erwartet, dass die weltweite Produktion von Biokunststoffen von 2,1 Mio. Tonnen im Jahr 2018 auf 2,6 Mio. Tonnen im Jahr 2023 ansteigen wird4. Im Vergleich zur jährlichen Produktionskapazität konventioneller Kunststoffe von 335 Mio. Tonnen7 erscheint der Anteil an Biokunststoffen nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Gründe für einen relativ geringen Anstieg der Produktionskapazitäten von Biokunststoffen sind tiefe Ölpreise, eine noch langsam anlaufende politische Unterstützung und ein begrenzter Marktzugang.

Dennoch steigt die Nachfrage nach anspruchsvollen Biokunststoffen, Anwendungen und auch Produkten, sodass der Markt kontinuierlich wächst. Der aktuell größte Anteil am Biokunststoffmarkt wird von Drop-In-Biokunststoffen gestellt – Bio-PET, Bio-PE und Bio-PA machen alleine 48 Prozent des Biokunststoffmarkts aus4. Es wird erwartet, dass Bio-PE in Zukunft seine Produktionskapazitäten weiter erhöhen wird. Großes wird auch von einem neuen Biokunststoff erhofft – PEF (Polyethylenfuranoat). PEF ist zu 100 Prozent biobasiert und zeigt bessere Barriere- und thermische Eigenschaften als Bio-PET. Gerade im Bereich Verpackungen könnte sich dieser Biokunststoff durchsetzen und Bio-PET teilweise ersetzen. PEF soll im Jahr 2023 in den Markt eintreten.

Größte Innovationskraft und größtes Marktwachstum wird in Zukunft insbesondere bei neuartigen Biokunststoffen wie PHA und PLA erwartet. Besonders durch ihre neuen funktionellen Eigenschaften eröffnen sich andere Anwendungsfelder, die über den Einsatzbereich konventioneller Kunststoffe hinausgehen. Die Produktionskapazität von PHA soll sich in den nächsten 5 Jahren vervierfachen, die von PLA bis im Jahre 2023 verdoppeln3. Einer der Gründe für diese Entwicklung ist die Unabhängigkeit dieser Biokunststoffe vom Preisdruck tiefer Ölpreise, da es keine konventionellen Pendants gibt. Der Erfolg hängt aber auch maßgeblich davon ab, wie schnell diese Biokunststoffe im Markt etabliert werden können. Aber auch eine Unterstützung in Politik und Gesellschaft kann diese Entwicklung beschleunigen.

Stehen Biokunststoffe in Konkurrenz zu unseren Nahrungsmitteln?

Beispiele von Biokunststoff-Anwendungen. © BIOPRO Baden-Württemberg GmbH

Mit steigendem Aufbau des Biokunststoffmarktes rückt eine prominente Diskussion weiter in den Mittelpunkt – die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion insbesondere durch die Flächennutzung. Nach aktuellen Angaben wurden im Jahr 2018 ungefähr 0,8 Mio. Hektar für den Anbau von Biomasse zur Produktion von Biokunststoffen genutzt. Dies sind weniger als 0,02 Prozent der weltweit verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen von ungefähr 5 Milliarden Hektar5,6. Diese Nutzungsfläche ist so gering, dass eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion derzeit nicht besteht. Chancen, die Nutzungskonflikte mit der Lebensmittelproduktion weiter zu umgehen und gleichzeitig die Nachhaltigkeit der Biokunststoffe zu steigern, werden in der Nutzung von marginalen Flächen (Flächen, die sich nicht für die Lebensmittelproduktion eignen) sowie in der Nutzung von Rest- und Koppelprodukten aus Land- und Forstwirtschaft gesehen. An der Universität Hohenheim wird an einem solchen „Biokunststoff der zweiten Generation“ gearbeitet. Hier werden die Wurzelrüben von Chicorée, die nach der Ernte auf der Kompostierungsanlage oder in der Biogasanlage entsorgt werden, genutzt, um Hydroxymethylfurfural (HMF) zu gewinnen – einen der Basisstoffe in der Kunststoffindustrie von morgen8.

Sind Biokunststoffe wirklich umweltfreundlicher?

Auf diese Frage kann kein eindeutiges Ja und kein eindeutiges Nein gegeben werden. Erste Ergebnisse von Ökobilanzen zeigen, dass Biokunststoffe fossile Rohstoffe einsparen können und weniger CO2 freisetzen. Sie tragen jedoch mehr zur Eutrophierung (Nährstoffeintrag in ein Ökosystem) und zur Versauerung von Böden bei.

Ein weiterer Punkt, der die Nachhaltigkeit der Biokunststoffe zukünftig maßgeblich verbessern kann, ist die Entsorgungsthematik. Derzeit fehlt es noch an einem sinnvollen Abfallmanagement für Biokunststoffe mit guten Verwertungs-Infrastrukturen, gerade auch für bioabbaubare Biokunststoffe.

Grundsätzlich ist das Recycling von Biokunststoffen möglich. Aufgrund gleicher Eigenschaften können Drop-In-Biokunststoffe wie Bio-PE, Bio-PET in die Recyclingströme der konventionellen Kunststoffe integriert werden. Für bioabbaubare Biokunststoffe wie PLA und PHA können sich gänzlich neue Verwertungswege eröffnen. Sie können aufgrund ihrer Eigenschaften theoretisch auch der Kompostierung und Vergärung zugeführt werden.

In der Praxis sehen eine ordentliche Verwertung und ein ordentliches Recycling von Biokunststoffen jedoch anders aus. Durch bestehende Unsicherheiten der Anlagenbetreiber, aber auch durch unzureichende Sortiertechnik, werden Biokunststoffe zum Großteil vor dem Recycling oder der Verwertung aussortiert und verbrannt. Insbesondere bioabbaubare Biokunststoffe gelten oft als Störstoffe. Gründe hierfür sind die Beeinflussung der Qualität stabiler Kunststoffrezyklate, wodurch die Marktfähigkeit beeinträchtigt werden kann. Aber auch der Eintrag von Mikro- und Makrokunststoff in die Umwelt ist möglich, da der biologische Abbau von bioabbaubaren Biokunststoffen unter den Prozessbedingungen und der Verweilzeit in industriellen Anlagen für einen vollständigen Abbau oftmals nicht ausreichend ist. Einen Vorteil gibt es dennoch. Wird Biokunststoff vor der Verwertung aussortiert und verbrannt, ist dies im Vergleich zu konventionellen Kunststoffen vorteilhafter, da bedeutend weniger CO2 freigesetzt wird. Genauer gesagt wird sogar nur so viel Kohlenstoff in Form von CO2 freigesetzt, wie zuvor im biogenen Material gebunden wurde – vorausgesetzt der Kohlenstoff im Biokunststoff kommt gänzlich aus nachwachsenden Rohstoffen1,2.

Dennoch – eine bessere Transparenz für Anlagenbetreiber, aber auch für den Verbraucher, wird benötigt, um das Entsorgungssystem so effizient wie möglich zu gestalten. Bei ansteigenden Mengen an Biokunststoffen könnte sich eine getrennte Sammlung und Sortierung dann auch wirtschaftlich lohnen.

Fazit

Biokunststoffe werden nicht die Lösung für die großen Plastikmüllstrudel in den Meeren sein. Sie können jedoch eine nachhaltige Alternative zu konventionellen Kunststoffen darstellen, wenn die biologische Abbaubarkeit weiter verbessert wird und es eine angepasste Abfall- und Entsorgungsinfrastruktur gibt. Bis dahin ist die Verbrennung von Biokunststoffen immer noch besser, als gar keine Biokunststoffe zu produzieren. Biokunststoffe der zweiten Generation, die aus Abfall und Reststoffen produziert werden, könnten außerdem Dampf aus der Diskussion um die Landnutzung und die Konkurrenz zu Futter- und Lebensmitteln nehmen.

Literatur

(1) Bertling, Jürgen; Bertling, Ralf; Hamann, Leandra (2018): Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik. Ursachen, Mengen, Umweltschicksale, Wirkungen, Lösungsansätze, Empfehlungen. Kurzfassung der Konsortialstudie, Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT,Oberhausen.

(2) Burgstaller, Maria; Potrykus, Alexander; Weißenbacher, Jakob; Dr. Kabasci, Stephan; Dr. Merrettig-Bruns, Ute; Sayder, Bettina (2018): Gutachten zur Behandlung biologisch abbaubarer Kunststoffe, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau.

(3) Chinthapalli, Raj; Carus, Michael; Baltus, Wolfgang; De Guzman, Doris; Käb, Harald; Raschka, Achim; Ravenstijn, Jan (2018): Bio-based Building Blocks and Polymers - Global Capacities and Trends 2017-2022, nova-Institut GmbH, Hürth.

(4) European Bioplastics (2018): Bioplastics market data 2018 – Global production capacities of bioplastics 2018-2023, European Bioplastics, Berlin.

(5) European Bioplastics (2018): Bioplastics - facts and figures, European Bioplastics, Berlin.

(6) IfBB-Institute for Bioplastics and Biocomposites (2018): Biopolymers facts and statistics - Production capacities, processing routes, feedstock, land and water use, Hochschule Hannover, Hannover.

(7) PlasticsEurope (2018): Plastics – the Facts 2017 – An analysis of European plastics production, demand and waste data, Brussels.

(8) Schmid; Klebs (02-2016): Pressemitteilung: Nahrung & Rohstoff: Nylonstrümpfe und Plastikflaschen aus Chicorée-Salat-Abfällen, Universität Hohenheim, Hohenheim.

(9) https://biowerkstoffe.fnr.de/biokunststoffe/klassifizierung/(08.01.2018)

(10) https://www.dincertco.de/de/dincertco/produkte_leistungen/zertifizierung_produkte/umwelt_1/biobasierte_produkte/biobasierte_produkte_mehr_nachhaltigkeit.html (08.01.2018)

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/dossier/die-alternative-biokunststoff