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Ungleiche Partner und doch Lebensgemeinschaften – Symbiosen
Das Zusammenleben zweier Arten kann ganz unterschiedliche Formen annehmen, zu beiderseitigem oder einseitigem Nutzen führen, einen der Lebenspartner auch schädigen oder im Extremfall töten. Einige Symbiosen unter Pflanzenbeteiligung sind direkt wirtschaftlich nutzbar, andere dienen zu Analysezwecken oder als Modell für industrielle Anwendungen.
Der Begriff Symbiose wurde von einem deutschen Naturwissenschaftler geprägt: Anton De Bary beschrieb 1887 Symbiose als das Zusammenleben verschiedenartiger Organismen. Mit dieser wertfreien Definition ließ der Botaniker und Pilzspezialist offen, wie das Schaden-Nutzen-Verhältnis gestaltet ist. Die weitere Erforschung symbiotischer Beziehungen zeigte die ganze Bandbreite der Möglichkeiten. Eine echte Win-win-Situation bieten mutualistische Beziehungen mit gegenseitigem Nutzen, die auch als Symbiosen im engeren Sinn aufgefasst werden. Neben vielfältigen Putz- und Schutzsymbiosen aus dem Tierreich gehören hierher auch die Bestäubungs-Symbiosen. Dabei profitiert der pflanzliche Partner, indem sein Pollen verbreitet wird, und Insekten oder Vögel profitieren, indem sie Nektar oder auch einen Teil des Pollens aufnehmen. Symbiosen zur Samenverbreitung gehören ebenfalls in die Kategorie Mutualismus. Der Pflanzensamen wird durch Tiere verbreitet im Austausch gegen Früchte und Samen, die als Nahrung dienen. Die Samenverbreitung erfolgt zum Beispiel durch Transport via Tierfell wie bei den Kletten oder auch durch Ausscheidung unverdauter Samen im Tierkot.
Mykorrhiza – die Allerwelts-Symbiose
Ein echtes Multitalent in Sachen Mutualismus sind Orchideen: Bei ihnen findet man hochspezialisierte Bestäubungssymbiosen und zusätzlich „Mykorrhiza“. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Pilzwurzel“. Im Fall der Orchideen handelt es sich um eine endotrophe Mykorrhiza: Das Innere der Pflanzenwurzeln wird von Mykorrhiza-Pilzen besiedelt. Der Gewinn auf Pilzseite besteht darin, dass er pflanzliche Assimilate für seinen Stoffwechsel nutzen kann. Im Gegenzug erschließt er der Pflanze Mineralien und Nährstoffe, die über den Boden aufgenommen werden. Aber nicht immer ist eine Orchideen-Pilz-Beziehung von gegenseitigem Nutzen: Chlorophyllfreie Orchideen wie der einheimische Nestwurz (Neottia) sind parasitäre Pflanzen, die zeitlebens von ihrem Mykorrhiza-Pilz abhängig (mykotroph) sind. Diese Form des Zusammenlebens wird auch als antagonistische Symbiose bezeichnet, da das Nutzenverhältnis einseitig in Richtung Pflanze verschoben ist.
Mykorrhizae sind zumindest in Mitteleuropa weit verbreitet, rund drei Viertel aller hier vorkommenden Blütenpflanzen gehen solch eine Symbiose ein. Wie extrem weit verbreitet speziell eine Symbiose mit Pilzen der Ordnung Sebacinales ist, zeigt der Beitrag „Sebacinales Everywhere“ - Pilze leben in spezieller Symbiose. Bei mitteleuropäischen Waldbäumen ist eine ektotrophe Mykorrhiza obligat. Die Pilzhyphen entwickeln sich hier nicht innerhalb der Pflanzenwurzeln, sondern außen. Sie ummanteln die Pflanzenwurzeln und dringen bis in die Zellzwischenräume der Wurzeln vor, wo sie ein netzartiges Geflecht bilden, das Hartigsche Netz. Da die teilweise weit verzweigten Pilzhyphen einen Großteil der Nährstoff- und Wasseraufnahme übernehmen, kann die Pflanze Wurzelhaare einsparen: Sie werden reduziert und die Wurzeln verdicken häufig. Das Pilzgeflecht kann den Boden großräumig durchziehen; mitunter sind sogar mehrere Bäume über ein und dasselbe Pilzgeflecht miteinander verbunden. Wie sehr ein Baum von der Mykorrhiza profitiert, wird deutlich, wenn der Pilz fehlt: Der Baum ist dann in seinem Wachstum eingeschränkt, kann mit konkurrierenden Nachbarbäumen nicht mithalten und sogar eingehen.
Bei manchen Mykorrhiza-Formen versorgt der Pilz „seine“ Pflanze auch mit speziellen chemischen Verbindungen, zum Beispiel mit Wachstumsfaktoren oder mit Cytokinen, die als Phytohormon wirken. Andere Produkte des Pilz-Stoffwechsels dienen der Schädlingsabwehr. Bei derartig interessanten Nutzen-Aspekten ist es kein Wunder, dass auch der Mensch davon profitieren will. Im Pflanzenbau werden manche Arten bereits gezielt mit Mykorrhiza-Pilzen vergesellschaftet, um ein besseres Gedeihen zu erreichen. Die genauen molekularbiologischen und biochemischen Zusammenhänge der Mykorrhiza werden erforscht, um zum Beispiel Impulse für die Schädlingsbekämpfung und Resistenzentwicklung bei Nutzpflanzen zu erhalten.
Fließende Übergänge erschweren eindeutige Nutzenbewertung
Die Einteilung der Symbiosen in mutualistisch, antagonistisch/parasitär bringt das Problem mit sich, dass es zahlreiche Zwischenformen gibt, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen. Die Übergänge sind zum Teil fließend und/oder temporär unterschiedlich. Um beim Orchideen-Beispiel zu bleiben: Alle Arten sind im frühen Entwicklungsstadium mykotroph, also auf den Pilz angewiesen, was bei chlorophyllhaltigen Arten später jedoch nicht mehr der Fall ist. Bei anderen Formen des Zusammenlebens ist längst noch nicht eindeutig und in vollem Umfang geklärt, ob und wie die Partner voneinander profitieren oder sich schaden.
Ein Beispiel sind Dinoflagellaten, marine Einzeller, die einen Großteil des Phytoplanktons im Meer ausmachen. Dinoflagellaten können ihrerseits phototrophe oder eukaryotische Einzeller aufnehmen und mit diesen eine dauerhafte Endozytobiose eingehen. Diese Symbiosen scheinen Einfluss auf die Bildung von Algenblüten im Meer zu haben und werden zurzeit an der Universität Stuttgart erforscht. Dabei wird auch wirtschaftlichen Aspekten der Endozytobiosen nachgegangen – möglicherweise können sie in Zukunft für biotechnologische Anwendungen wie die Bioproduktion von Wertstoffen interessant sein.
Endozytobiosen liegen auch der Endosymbionten-Theorie zugrunde. Sie besagt, dass Zell-Organellen wie Mitochondrien und Plastiden durch Aufnahme ursprünglich eigenständiger einzelliger Organismen (Prokaryoten) in eine eukaryotische Wirtszelle entstanden sind. Die Partner gingen eine Symbiose ein, die zu gegenseitigen Anpassungsvorgängen und Abhängigkeit führte. Über aktuelle Aspekte der Forschung informiert der Beitrag "Symbiogenese von Mitochondrien und Plastiden", in dem Arbeiten an der Universität Heidelberg und dem EMBL aufgegriffen werden.
Wirtschaftlich relevante bakterielle Symbiosen, im Guten wie im Schlechten
Sehr gut untersucht und eindeutig dem Mutualismus zugeordnet sind Knöllchen-Symbiosen zwischen Hülsenfrüchten (Leguminosen) und Bakterien aus der Familie Rhizobiaceae, die sich übrigens auch mithilfe von Flagellen fortbewegen können. Sie sind weit verbreitete Bodenbakterien und haben eine Leidenschaft für Hülsenfrüchte entwickelt. Sie dringen in deren Wurzelhaare ein und leiten dort die Bildung von knöllchenartigen Verdickungen ein. Nur gemeinsam sind die Partner in der Lage, elementaren Stickstoff zu fixieren und biologisch verwertbar zu machen, wovon beide Arten profitieren. Landwirtschaftlich hat die Symbiose den großen Vorteil, dass die Pflanzen durch die Stickstofffixierung auch auf kargen Böden gut gedeihen. Andere bakterielle Zuzüge sind Pflanzen weniger dienlich: Feuerbrand, hervorgerufen durch Erwinia-Bakterien und Wurzelhalsgallen, hervorgerufen durch Agrobacterium tumefaciens, gehören nicht zu den Symbiosen im engeren Sinn, werden jedoch mitunter zu den antagonistischen Symbiosen gezählt, bei denen nur der bakterielle Partner profitiert, während die Pflanze geschädigt wird beziehungsweise eingeht.
Bakterien können auch symbiotische Beziehungen mit anderen Bakterien, mit Algen und Pilzen eingehen. Für den Menschen eher negativ sind solche Gesellschaften, wenn sich Biofilme bilden. Durch das Ausscheiden extrazellulärer polymerer Substanzen (EPS) können Mikroorganismen einen Biofilm zum Beispiel um Implantate in der Zahnheilkunde bilden. Damit schaffen sich die Bakterien eine eigene geschützte Umgebung, in der sie prächtig gedeihen. Wie das Zusammenleben unterschiedlicher Mikroorganismen die EPS-Bildung fördert, zeigt das Beispiel der Sedimentbildung, der ein Team der Uni Stuttgart auf der Spur ist (s. auch Karriere im Untergrund: Bakterien stellen Bautrupps für Sedimente). In diesem Fall ist die EPS-Bildung auch aus humaner Sicht erfreulich, denn dadurch werden Sedimente verfestigt und aquatische Ökosysteme stabilisiert.