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Projekt 3D-Thermocell

Papier statt Kunststoff: Nachhaltige Verpackungen mit gutem Gewissen

Kunststoff zu ersetzen – beispielsweise in Verpackungen – ist gar nicht so einfach, aber dringend nötig. Im Projekt 3D-Thermocell erarbeiten Forschende der DHBW Karlsruhe derzeit neuartige Kunststoffersatzprodukte aus thermoverformbarem Papier als nachwachsende Ressource, die günstig und leicht sein sollen sowie einfach mit dem Altpapier entsorgt werden können. Die Charakterisierung und Anwendung von Demonstratoren starten bereits in Kürze.

Die Nachfrage nach Kunststoffen ist ungebrochen: Beispielsweise wurden in Deutschland im Jahr 2021 rund 21 Mio. Tonnen produziert, ein Großteil davon für Verpackungen. Nachhaltigere Alternativen aus Rezyklaten oder Reststoffen gibt es zwar schon in verschiedenen Varianten, dennoch wurden im gleichen Jahr fast 85 Prozent der Kunststoffe für Verpackungen noch basierend auf fossilen Rohstoffen hergestellt.1) Dass sich dies ändern muss, steht außer Frage. Doch wie? Klassische Kunststoffprodukte haben immer noch Vorteile, die die ökologischen Pendants nicht immer bieten können, aber vielfach für die spezifischen Anwendungen gefragt sind. Für Verpackungen sind dies unter anderem vergleichsweise geringere Kosten und ein geringeres Gewicht der Produkte, gute Barrieren gegen Feuchtigkeit und z. B. Sauerstoff sowie eine gute thermoplastische Verformbarkeit zu Packmitteln nach Bedarf.

Neues, nachhaltiges Geschäftsfeld aus bestehenden Anlagen

Die Papierexpertin steht in der Halle der DHBW.
Monika Korbmann hat mit dem 3D-Thermocell-Team gleich mehrere Technologien zur Herstellung von thermoformbarem Papier entwickelt. © DHBW/Mainteam

Papier wäre ein wünschenswertes, weil äußerst umweltfreundliches Material. Denn es kann zu hundert Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, ist so leicht wie Kunststoff oder sogar leichter sowie ebenso günstig und ist nach einfacher Entsorgung im Altpapier vollständig recyclingfähig. Da allerdings die Erweichungstemperatur der Cellulosefasern über deren Zersetzungstemperatur liegt, bricht Papier beim Versuch, dieses für bestimmte Anwendungen zu verformen – etwa zur Herstellung von Verpackungsschalen für Lebensmittel oder als Um- und Transportverpackung empfindlicher Objekte, z. B aus Glas. Aus diesem Grund kommen Papierverpackungen überwiegend nur dann zum Einsatz, wenn der Werkstoff mechanisch angepasst werden kann, etwa durch Falten oder Pressen zu Kartons, Tüten oder Tellern.

Bis jetzt – denn Forschende der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Karlsruhe arbeiten in Kooperation mit weiteren Partnern aus Forschung und Industrie im Projekt 3D-Thermocell an der Möglichkeit, Verpackungen unter Nutzung von bereits bestehenden Maschinen der kunststoffverarbeitenden Industrie aus thermoformbaren Papierwerkstoffen herzustellen. „Das Thermoformen an sich ist in vielen kleinen bis mittelständischen Unternehmen eine sehr weit verbreitete Technologie“, erklärt Monika Korbmann, die das Projekt an der DHBW betreut. „Da lag es für uns nahe, dies bei der Suche nach Materialien aus nachwachsenden Quellen zu berücksichtigen und hier ein neues Geschäftsfeld aus Papier zu betrachten. Denn die Presstechniken sind ja etabliert, und wir wollten auch die Thermoformanlagen möglichst so lassen, wie sie sind. Die Herausforderung war es also dazu passende Materialien zu entwickeln.“

Drei Möglichkeiten zur Herstellung von thermoformbarem Papier etabliert

Computermodell einer Verpackung für vier Batterien
Mögliche Verpackung für Batterien (Rendering) aus thermoformbarem Papier. © DHBW/Mainteam

Mit Erfolg, denn nach nur zwei Jahren Projektlaufzeit hat das 3D-Thermocell-Team gleich drei praktikable Technologien vorzuweisen, um ein Papiermaterial zur Verfügung zu stellen, das nach Belieben wie das Vorbild aus Kunststoff zu thermogeformten Produkten verarbeitet werden kann. „Bisher haben diese Verfahren mit Papier nicht funktioniert, weil man es nicht einfach durch Hitze plastisch und formbar machen kann. Im Gegenteil, es wird spröde und wird zerstört“, berichtet Korbmann. „Deshalb war unsere erste Idee, das Papier durch Besprühen aufzuweichen und damit dehnbarer zu machen.“ Experimentiert haben die Forschenden dazu mit einer ganzen Reihe an wasserlöslichen Verbindungen, etwa Chitosan, Gelatine oder Agar-Agar. Durch die Additivierung wurde das Papier tatsächlich erwärm- und verformbar. Als praktikabelste Lösung erwies sich hier die Verwendung von Chitosan – eines der häufigsten natürlichen Biopolymere, welches aus Krabbenschalen gewonnen wird - ebenfalls einem Reststoff, der weltweit in großen Mengen anfällt.

In einem zweiten Ansatz testeten die Forschenden einen Papierwerkstoff aus Biokunststoff wie etwa PLA (Polylactide) aus Maisstärke und Milchsäure plus Cellulosefasern. Dieser erwies sich auch ohne Feuchtigkeit beim Erwärmen als gut thermoformbar. Die dritte Idee war es, möglichst viele Papierfasern in einen Biokunststoff einzuarbeiten, um eine gute Thermoformbarkeit zu erreichen.

Anwendung steht bevor – Warten auf die Prototypen

Computermodell einer braunen Papierschale mit mehreren Fächern, in denen jeweils eine Obstsorte – Mandarinen, Himbeeren, Orangenschnitze, Heidelbeeren außen und in der Mitte Kirschen – liegt.
Teller aus thermoformbarem Papier, beispielsweise für Obst, die nach Gebrauch einfach zum Altpapier gegeben werden können (Rendering). © DHBW/Mainteam

Stand heute erwiesen sich alle drei Ansätze als so praktikabel, dass sie gleichwertig weiterverfolgt werden. „Vielleicht gibt es am Ende für jede unserer Ideen spezifische Anwendungen, und sie können alle in die Praxis überführt werden“, sagt die Expertin. „Oder vielleicht macht es auch Sinn, Methoden miteinander zu kombinieren. Hier ist unsere Entwicklung noch nicht zu Ende. In jedem Fall werden zwei Lösungen für ein recyclingfähiges, nachhaltiges Produkt im Sinne der Kreislaufwirtschaft herauskommen.“

Generell sind viele praktische Anwendungen für den neuen Werkstoff denkbar. Ob im Lebensmittelbereich als Einleger oder Schalen, etwa für Pralinen, Obst und Gemüse oder im Non-Food-Bereich als Verpackung für technische Bauteile beziehungsweise Kosmetik oder im Automobilbereich – alles sei denkbar, so Korbmann.

Weiterhin sind auch Versuche mit Recyclingpapier geplant. Für die bisherigen Arbeiten mit neuem Papier wurden die Fasern gekauft, und die Papiere im Institutsteil Gernsbach selbst hergestellt. „Recyclingpapier ist nicht eindeutig charakterisierbar, deshalb musste die Technologie an sich erst stehen. Diese Möglichkeit wird aber nun ein nächster Schritt unserer Arbeit sein“, berichtet Korbmann.

Außerdem werden alle möglichen Routen in der konkreten Anwendung geprüft. Marktanalysen und Entwürfe für die Produkte sind gemacht. Aktuell erstellt das Team die Demonstratoren: „Das heißt, richtige Anschauungsmuster für Verpackungslösungen“, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin. „Diese Prototypen werden wir dann genauestens charakterisieren. Das heißt, nun stehen gar nicht mehr so viele Experimente an, sondern die konkrete Anwendung.“

In einem Nachfolgeprojekt, für das zurzeit ein Konzept ausgearbeitet wird, soll es um die Anpassung der Anlagentechnik und die Überführung der Methodik vom Labor- in den Industriemaßstab gehen. Gespräche mit Material- und Verpackungsherstellern gab es zwar parallel von Anfang an, sie sollen auch in Zukunft weitergeführt und selbstverständlich auch mit Anfragen aus dem Handel und von Markenartiklern kombiniert werden, die es bereits zunehmend gibt.

Info-Box: Das Projekt 3D-Thermocell

  • Thermogeformte Cellulose – strukturstabile ressourcenschonende Verpackungslösungen aus 3D-thermogeformten Cellulose-Verbundwerkstoffen aus biobasierten Papierinhaltsstoffen
  • Projektlaufzeit: 01.04.2021 – 30.09.2023
  • Partner: Duale Hochschule Baden-Württemberg (Koordination), Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT, Mainteam Bild Text Kommunikation GmbH, Tecnaro GmbH, Mack Kunststofftechnik GmbH & Co. KG, Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker und -Ingenieure e.V. (Verein Zellcheming) (assoziierter Partner)
  • Projektträger: Forschungszentrum Jülich
  • Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Quelle:

1) Conversio-Studie (2022): Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2021: Zahlen und Fakten zum Lebensweg von Kunststoffen. https://www.bkv-gmbh.de/files/bkv-neu/studien/Kurzfassung_Stoffstrombild_2021_13102022_1%20.pdf

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/papier-statt-kunststoff-nachhaltige-verpackungen-mit-gutem-gewissen