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#1 in Biodiversity-Challenge: Universität Hohenheim ist artenreichster Campus Europas
Dank Artenschutz & Expertise: Universität Hohenheim zählt über 2000 wilde Tier- und Pflanzarten und entscheidet europaweiten Wettbewerb für sich.
Die Landeshauptstadt hat einen Titel mehr: 2087 wilde Tier- und Pflanzenarten haben ausgewiesene Artenkenner:innen und engagierte Citizen Scientists seit 22. Mai 2023 auf dem Campus der Universität Hohenheim in Stuttgart bestimmt und digital erfasst. Darunter seltene Spinnenarten, Wildorchideen oder scheue Dachse. Damit geht die Universität Hohenheim als artenreichster Campus Europas aus der ICA Biodiversity Challenge 2023 hervor. Auf Platz zwei und drei folgen die Schwedische Universität für Agrarwissenschaften (SLU) mit 1873 und die belgische KU Leuven mit 1453 Spezies. Nicht mitgezählt wurden über 8000 verschiedenen Pflanzenarten, die in den Hohenheimer Gärten durch Menschenhand kultiviert werden. Insgesamt beteiligten sich 17 Universitäten aus 13 Ländern Europas. Ausgerichtet wurde der Wettbewerb von der Association for European Life Science Universities (ICA). Ein erklärtes Ziel aller teilnehmenden Universitäten ist es, Bewusstsein für das dramatische Artensterben weltweit und die Bedeutung der Biodiversität zu schaffen.
Es kreucht und fleucht auf dem Campus der Universität Hohenheim: Allein 63 unterschiedliche Vögel vom Kuckuck bis zum Eisvogel, 15 Libellenarten oder 416 unterschiedlichen Käfer konnten fleißige Artenzähler:innen in den letzten Wochen bestimmen. Lichtfallen lockten 345 unterschiedliche Nachtfalter ins Netz und besonders scheue Campus-Bewohner wie Dachse und Füchse konnten dank Fotofallen dokumentiert werden.
„Dabei brachte unsere Arten-Inventur auch seltene Arten wie z.B. die Dreiecksspinne, den Neuntöter, Nashornkäfer, kriechenden Sellerie oder die Bienenragwurz, eine heimische Wildorchidee zum Vorschein“, freut sich Biologe Prof. Dr. Johannes Steidle vom Fachgebiet Chemische Ökologie an der Universität Hohenheim.
Wo genau die Beobachtungen auf dem Campus gemacht wurden, können Interessierte auf der Plattform observation.org genau nachvollziehen. Viele Entdeckungen sind hier auch mit Fotos verknüpft.
Auszeichnung für Artenvielfalt – und Expertise
„Unser erfolgreiches Abschneiden in der europaweiten Challenge dokumentiert zweierlei“, betont Rektor Prof. Dr. Stephan Dabbert stolz. „Unser Campus ist außergewöhnlich artenreich, was nicht zuletzt auf engagierte Schutzmaßnahmen zurückzuführen ist, die wir zum Teil bereits seit über zwei Jahrzehnten durchführen. Zum anderen verfügen wir über eine außergewöhnliche biologische Fachkompetenz, die notwendig ist, um unterschiedliche Artengruppen gezielt aufzuspüren und professionell zu bestimmen.“
Zum Einsatz kamen dabei mitunter innovative Methoden der Taxonomie-Forschung. „Viele der 119 erfassten Fliegen- und Mückenarten beispielsweise sind selbst unterm Mikroskop kaum voneinander zu unterscheiden“, erläutert Prof. Dr. Lars Krogmann, Direktor des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart, der gleichzeitig das Fachgebiet Biologische Systematik an der Universität Hohenheim leitet. „Bestimmen konnten wir sie dennoch: Anhand ihres sogenannten DNA-Barcodes. Hierbei handelt es sich um Sequenzen im Genom, die wie ein genetischer Fingerabdruck fungieren und uns bei der Identifizierung helfen.“
Citizen Scientists helfen mit
Doch nicht nur Biologie-Studierende und Expert:innen der Universität Hohenheim und des Naturkundemuseums Stuttgart waren in den letzten Wochen für die Biodiversity Challenge unermüdlich im Einsatz. Mit Hilfe der kostenlosen App ObsIdentify konnten sich alle Interessierten als Citizen Scientists betätigen und die Universität beim Artenbestimmen unterstützen.
Eine Einführung dazu gab es beim Hohenheimer Tag der Artenvielfalt am 17. Juni, wo Fledermausführungen, Mikroskopier-Stände und zahlreiche weitere Programmpunkte die Entdeckung der heimischen Flora und Fauna zum Erlebnis machten. Organisiert wurde das Event vom Kompetenzzentrum Biodiversität und integrative Taxonomie (KomBioTa), einer gemeinsamen Einrichtung der Universität Hohenheim und des Naturkundemuseums Stuttgart.
Seltene Tier- und Pflanzenarten kehren zurück auf den Campus
„Die hohe Dichte an unterschiedlichen Arten auf unserem Campus ist kein Zufall“, betont Dr. Hartmut Dalitz, wissenschaftlicher Leiter der Hohenheimer Gärten. „Seit über 20 Jahren werden Wiesen im Bereich der Vegetationsgeschichte und des Landschaftsgartens nur noch 2-mal jährlich gemäht. Anders als beim herkömmlichen Mähen bleibt das Schnittgut nicht auf den Grünflächen liegen, sondern wird zu Heu verarbeitet und von einem ortsansässigen Bauern abgeholt.“
Ohne die überreiche Düngung durch das zurückgelassene Schnittgut sind die ehemaligen Fettwiesen dabei, sich im Lauf der Jahre wieder allmählich in natürliche Magerwiesen zu verwandeln, die für viele heimische Pflanzen und Tiere ein überlebenswichtiges Habitat bieten. Durch das seltene Mähen kommen außerdem mehr Wildpflanzen zur Samenreife und weniger Insekten fallen dem Mähvorgang zum Opfer.
Darüber hinaus ergreifen die Hohenheimer Gärten zahlreiche weitere Maßnahmen, damit sich neue Biodiversität-Hotspots entwickeln. 2021 wurde beispielsweise ein Eidechsenhabitat mit Brut- und Jagdrevier angelegt. 2022 kam ein Gipshügel hinzu, der ähnliche Bedingungen wie eine natürliche Steppenlandschaft bietet und über die Jahre weitere seltene Arten auf den Campus locken soll.