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Die Kreislaufwirtschaft von morgen
Wie man Abfall effizienter als Ressource verwenden kann, ist die Fragestellung des Forschungsprojekts RUN (Rural Urban Nutrient Partnership). Veronika Fendel untersucht dabei, wie die Wertstoffe aus Bioabfällen und häuslichem Abwasser bestmöglich in den Kreislauf zurückgeführt werden können.
Wenn man das Wort „Abfall“ hört, denkt man häufig zunächst an ein Umweltproblem. Abfall, der sich in keinem Stoffkreislauf befindet, ist aber nicht nur ein ökologisches Thema, sondern auch ein wirtschaftlicher Verlust. Wie man Abfall noch effizienter als Ressource verwenden kann, ist die Fragestellung des Forschungsprojekts RUN (Rural Urban Nutrient Partnership). Viele Projektpartner möchten gemeinsam ein Konzept für die regionale Kreislaufschließung von Wertstoffen aus Bioabfällen und häuslichem Abwasser erarbeiten und im Rahmen eines Pilotvorhabens in der Praxis erproben. Ziel ist, Nährstoff und Kohlenstoffkreisläufe aus sekundären Ressourcen zwischen ruralen und urbanen Regionen zu schließen.
Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Veronika Fendel vom Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaftuntersucht dabei insbesondere die Ressourcen Schwarzwasser (aus Vakuumtoiletten) und Küchen- und Grünabfälle. Produkte, die gewonnen werden, sind: Designdünger, Pflanzenkohle und Biopolymere. All das kann wieder in der umliegenden Landwirtschaft eingesetzt werden und die damit erzeugten Produkte wiederum an die Anwohner*innen in der Stadt verkauft werden – so schließt sich der Stoffkreislauf.
Veronika Fendel ist eigentlich Agrarwissenschaftlerin und hat an der Universität Hohenheim „Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie“ studiert. Mittlerweile arbeitet sie in der Arbeitsgruppe von Prof. Martin Kranert am ISWA, er ist der Projektleiter im Projekt RUN. Fendel forscht und promoviert im Bereich der Stoffströme. Diese hat sie zunächst auf Laborebene betrachtet und erste Abschätzungen berechnet. „Danach habe ich dieses Konzept mit zwei weiteren verglichen, nämlich zum einen mit Biogas und zum anderen habe ich zusätzlich ein Konzept mit einbezogen, welches die Landwirtschaft als Abfallverwerter implementiert.“
Küchenabfälle und Toiletteninhalt werden zu Dünger und Plastik
Gemeinsam mit ihrem Kollegen Benjamin Schäffner hat Fendel einen „Designabfall“ hergestellt. Grundlegende Fragestellung dazu: Wie sieht der durchschnittliche Küchenabfall in Deutschland aus? „Alle Projektpartner verwenden diesen komplett analysierten Designabfall, damit die Ergebnisse der Untersuchungen vergleichbar sind“. Dazu arbeiteten die beiden mit einem Zerkleinerer, um den Abfall so für die biologische Umwandlung zugänglicher zu machen. In der Zukunft könnten in Wohnungen direkt in der Spüle Zerkleinerer installiert werden, um die Küchenabfälle entsprechend für den Stoffkreislauf vorzubereiten.
Das andere Element ist das Schwarzwasser aus Vakuumtoiletten. Unsere herkömmliche Abwasserbehandlung sieht vor, dass Schwarzwasser über das Kanalsystem zusammen mit anderem Abwasser in die Kläranlage kommt und dort behandelt wird. Die Überlegungen, die in RUN Grundlage sind, zielen darauf ab, die Nährstoffe, die in Schwarzwasser in hoher Konzentration vorliegen, direkt zu verwerten.
Laut Fendels Untersuchungen gäbe es großes Potential, die beiden Abfalltypen zu mischen, also eine so genannte Co-Verwertung anzustreben. Diese scheint besonders effektiv, da man dann auf der einen Seite die Kohlenstoffe aus den Küchenabfällen habe und auf der anderen Seite die Nährstoffe aus dem Schwarzwasser. Das sind wertvolle Ressourcen, vor allem Phosphor, Stickstoff und Kalium. Teil des Projekts ist daneben, das optimale Mischverhältnis von Schwarzwasser und Küchenabfällen herauszufinden.
Aus den beiden organischen Ressourcen kann die Landwirtschaft nach der Ansicht von Veronika Fendel großen Nutzen ziehen: „Daraus wird zum einen MAP-Dünger hergestellt, der rieselfähig und fest ist. Laut einer Umfrage innerhalb des RUN-Projekts würde ein Großteil der Landwirte granulierten, also festen Dünger gegenüber flüssigem bevorzugen“. Daneben können daraus auch Biopolymere gewonnen werden, die sich als Plastikfolien auf den Feldern einsetzen lassen. „Bisher bleiben häufig Reste von Plastik auf den Feldern. Wenn diese komplett aus Biopolymeren bestünden wäre der Vorteil, dass nicht mehr Erdöl als Ressource eingesetzt wird, sondern sekundäre Haushaltsressourcen“, so Fendel.
Der nächste Schritt in Fendels Forschung lautet nun: „überprüfen wie das Konzept in der Praxis aussieht“. Dazu plant sie im Oktober 2021 einen Forschungsaufenthalt in Indien und kann dort an Projekte andocken, die bereits vor Ort schon stattfinden. RUN soll dann in einem Teilbereich zeigen, was praktisch und theoretisch machbar ist.
Warum Indien?
„Indien ist ein sehr bevölkerungsreiches Land und es gibt noch nicht ausreichend Sanitäranlagen für alle Menschen. Zudem sind die Böden teilweise stark degradiert aufgrund des jahrelangen Einsatzes von mineralischem Dünger sowie Herbiziden und Pestiziden. Diese Problemstellung wurde dort erkannt und die Politik in Indien ist daher bestrebt, möglichst viele Kreislaufkonzepte zu integrieren.“
Veronika Fendel erwartet sich von dem Forschungsaufenthalt neue Erkenntisse über die Co-Verwertung in Indien und dessen Auswirkungen auf die Schließung von Kreisläufen. Inwieweit sich die Ergebnisse dann auch auf Deutschland übertragen lassen, lässt sie offen und betont, dass die Regelungen für Abwasser in Deutschland relativ streng seien. Für die Implementierung der Forschungsergebnisse müsse man vermutlich gesetzliche Anpassungen vornehmen. Dennoch bleibt die Nachwuchsforscherin zuversichtlich: „Der Kreislaufwirtschaft gehört aus Sicht der Nachhaltigkeit definitiv die Zukunft. Davor wird sich auch die Politik nicht verschließen können.“
In dem Forschungsprojekt RUN wird ein Konzept für die regionale Kreislaufschließung von Wertstoffen aus Bioabfällen und häuslichem Abwasser erarbeitet und im Rahmen eines Pilotvorhabens umgesetzt.