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Forschungsumfrage zur Bioökonomie 2021
Mehr als 800 natur- und geisteswissenschaftliche Forschungseinrichtungen in Deutschland beschäftigen sich derzeit mit der Bioökonomie. Diese wurden in einer Forschungsumfrage von bioökonomie.de im Auftrag des BMBF nach ihren F&E-Schwerpunkten, den genutzten Rohstoffen und industriellen Anwendungsbereichen befragt.
Bioökonomie – ein biobasiertes, nachhaltiges Wirtschaften – ist ein komplexes Thema mit wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen. Entsprechend breit aufgestellt ist die Forschungslandschaft. Das Spektrum erstreckt sich in den naturwissenschaftlichen Bereichen von den Agrarwissenschaften bis zur Chemie, von der Biodiversitätsforschung bis zu den Ernährungswissenschaften, über die Biotechnologie, Materialwissenschaften sowie Umwelt- und Energietechnologien. Aber auch in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen wie den Sozial-, Wirtschafts-, Politik- und Rechtswissenschaften gibt es relevante Forschungsaktivitäten.
Dritte Umfrage zur Bioökonomieforschung
Bereits in den Jahren 2016 und 2018 hat das Informationsportal bioökonomie.de die Forschungseinrichtungen zu ihren Bioökonomie-Aktivitäten befragt. Um ein möglichst umfassendes und aktuelles Bild der Bioökonomie-Forschungslandschaft zu erhalten, wurden die Forschungseinrichtungen von November 2020 bis Januar 2021 ein drittes Mal um Auskunft gebeten.
Im Folgenden werden die Ergebnisse der aktuellen Erhebung zur Bioökonomie-Forschung in Deutschland dargestellt. Hierfür wurden insgesamt 823 Institute an Universitäten, Fachhochschulen sowie außeruniversitären Einrichtungen zu ihren Bioökonomie-Forschungsaktivitäten befragt. Insgesamt 357 Institute waren bereit, Auskunft zu geben.
Die Zahl der Einrichtungen, die sich mit Bioökonomie-relevanten Themen beschäftigen, ist in den vergangenen vier Jahren deutlich gestiegen (2016: 745 | 2020: 823 Forschungsinstitute, +10,5%). Im Vergleich zur Erhebung 2018 gab es auch bei den Mitarbeiterzahlen einen Zuwachs. In den 357 Instituten sind 44.200 Personen beschäftigt; 2018 hatten 317 Institute 31.119 Beschäftigte. Auch zu ihrem Budget machten die Forschungseinrichtungen Angaben: Gegenüber 2018 ist das Gesamtvolumen (2020: 2,78 Mrd. Euro | 357 Institute) zwar leicht angestiegen, die zur Verfügung stehenden Finanzmittel pro Institut blieben allerdings etwa gleich (2018: 2,57 Mrd. Euro | 317 Institute). Auch der prozentuale Anteil der Drittmittel am Gesamtbudget blieb nahezu identisch (2018: 68,4%, 2020: 70,2%).
Vielfältige Forschungslandschaft
Von den 357 Rückmeldungen kamen 169 von universitären Forschungseinrichtungen, 57 aus der Ressortforschung, 88 Fragebögen wurden von außeruniversitären Forschungsinstituten und 43 von Fachhochschulen beantwortet. Damit beteiligten sich fast 60% der angeschriebenen außeruniversitären Institute und Ressortforschungsinstitute, 44% der Fachhochschulen sowie 35% der angefragten universitären Institute an der Umfrage.
Über das ganze Land verteilt haben sich ausgesprochene Bioökonomie-Schwerpunkte gebildet. Im Südosten widmet sich die Technische Universität München mit ihrem Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit dem Thema Bioökonomie. Weiter westlich hat sich die Universität Hohenheim dem Leitthema Bioökonomie verschrieben. In Nordrhein-Westfalen ist das „Bioeconomy Science Center“ (BioSC) von besonderer Relevanz. Weiter im Osten ist der Leibniz-Wissenschaftscampus Pflanzenbasierte Bioökonomie Halle zu nennen. Zentraler Akteur des aus dem Spitzencluster-Wettbewerb hervorgegangenen Clusters BioEconomy ist das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna. Auch die Leuphana-Universität Lüneburg sowie die Universität Hamburg im Norden des Landes setzen Akzente auf Bioökonomie-Themen.
Bioökonomische Forschungsthemen sind aber nicht nur an den 479 universitären Instituten angesiedelt, sondern auch an 90 Instituten in Fachhochschulen. Dazu zählen unter anderem die FH Weihenstephan, die Beuth Hochschule für Technik in Berlin, die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde sowie die Hochschulen in Osnabrück, Trier, Mannheim und Aachen.
Hinzukommen 80 Institute an Ressortforschungseinrichtungen, die vor allem im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) angesiedelt sind, wie das Julius-Kühn-Institut oder das Friedrich-Löffler-Institut sowie 167 außeruniversitäre Institute.
Die genannten Forschungseinrichtungen sind nur eine kleine Auswahl. Einen umfassenden Überblick gibt der Bioökonomie-Forschungsatlas.
Die Ressourcen der Bioökonomieforschung
Die Bioökonomie greift zurück auf biologische Ressourcen. Die verwendete Biomasse stammt von Pflanzen, Tieren, Mikroorganismen, Pilzen oder Reststoffen. Genutzt werden sowohl primäre als auch sekundäre Rohstoffe. Aufgrund begrenzter natürlicher Ressourcen ist es unvermeidlich, den Verbrauch primärer Rohstoffe zu reduzieren. Eine Möglichkeit wäre die Substitution primärer durch sekundäre Rohstoffe. Im Gegensatz zu primären Rohstoffen werden sekundäre Rohstoffe durch Aufarbeitung aus bereits verwendetem, entsorgtem Material gewonnen.
Die große Mehrheit (236 | 84,6%) der Forschungseinrichtungen, die sich dieser Frage gewidmet haben, gab an, mit primären Rohstoffen zu arbeiten. Dabei arbeiten 41,6% der Einrichtungen (116) ausschließlich mit Primärrohstoffen, 43% (120) mit beidem, nur 15,4% (43) konzentrieren sich ausschließlich auf sekundäre Rohstoffe.
Die meisten Institute gaben an, mehr als einen Rohstoff zu nutzen, wobei sich an der Rangfolge der Rohstoffverwendung in den vergangenen Jahren nichts verändert hat. Nach wie vor nimmt die Pflanze (68%) den ersten Platz ein, wobei 40% der 255 Pflanzennutzer den Rohstoff Holz verwenden, während 21% mit Algen arbeiten. Auf Platz zwei folgen Mikroorganismen als Ressource (34,7%), dicht gefolgt von Reststoffen (32,8%). 23,8% der Befragten arbeiten mit Tieren, 16,8% mit Pilzen.
In den naturwissenschaftlichen Bereichen gibt es, wie in den Vorjahren, die meisten Forschungsaktivitäten mit Bioökonomiebezug in den Agrarwissenschaften (47,9%). Danach folgt die Biodiversitätsforschung. Während der Anteil der anderen Forschungsbereiche in den vergangenen vier Jahren nahezu identisch geblieben ist, konnte die Biodiversitätsforschung mit 38,1% einen deutlichen Anstieg verzeichnen (2018: 28%). Damit hat sie Biotechnologie und Systembiologie (37%) auf den dritten Rang verwiesen, gefolgt von der Prozess- und Verfahrenstechnik (31,4%). Vergleichsweise gering sind die Aktivitäten nach wie vor in den Forstwissenschaften (13,7%) oder der Lebensmitteltechnologie (10,9%).
In den geisteswissenschaftlichen Disziplinen spielt Bioökonomie vor allem in den Wirtschaftswissenschaften eine Rolle. 18,5% aller befragten Institute waren in diesem Bereich aktiv. Deutlich aufholen konnten die Sozialwissenschaften mit nunmehr 17,4% (2018: 15,1%), auf die 2016 lediglich 9% fielen. In den Politik- (5,3%) und Rechtswissenschaften (1,7%) ist die Bioökonomie offenbar nach wie vor ein Nischenthema.
Wirtschaftliche Relevanz
Wie stark die Anwendungsorientierung in der Bioökonomie-relevanten Forschung ist, belegt die Frage, für welche Branchen die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse hauptsächlich relevant sind. Nur 11 der 357 Institute konnten hier keine konkreten Angaben machen. Die überwiegende Mehrheit sieht bereits einen konkreten industriellen Nutzen in ihren Arbeiten – wie bereits 2018 wurde an oberster Stelle die Land- und Forstwirtschaft (58%) genannt, gefolgt von der Ernährungswirtschaft (41,7%). Etwa ein Drittel der befragten Institute forscht an Themen, die für die Chemie- (32,2%) und die Energiebranche (31,4%) relevant sind, und etwa ein Viertel hat die Pharmaindustrie (24,1%) im Visier. Es folgen der Maschinen- und Anlagenbau (19%), die Bauwirtschaft (16,5%), die Automobilindustrie (14,6%), die Konsumgüterindustrie (13,4%) und die Textilwirtschaft (10,1%).