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Landwirtschaft 4.0: Hochschulen erforschen digitale Technologie für Kleinbetriebe
Über dem Feld kreisen Drohnen und erkennen mit Hilfe spezieller Sensoren frühzeitig Pflanzenkrankheiten. Intelligente Kameras steuern automatisierte Hacken beim Unkrautjäten. Dies sind zwei Beispiele von vielen, die dazu beitragen, dass landwirtschaftliche Kleinbetriebe am digitalen Fortschritt teilhaben. Praktikable digitale Lösungen helfen zudem dabei, Pflanzenschutzmittel einzusparen und so Umwelt und Natur zu schützen. Entwickelt werden diese Technologien von der Universität Hohenheim in Stuttgart zusammen mit der HfWU Nürtingen-Geislingen und weiteren Partnern. Für ihre Teilprojekte erhält die Universität Hohenheim rund 3,3 Mio. Euro an Fördergeldern, was das Vorhaben zu einem ihrer Schwergewichte der Forschung macht.
Baden-Württemberg weist eine kleinstrukturierte Landwirtschaft auf. Mit dem zunehmenden Einsatz von teilweise kapitalintensiven digitalen Technologien bei Großbetrieben im In- und Ausland besteht die Gefahr, dass gerade kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe digital abgehängt werden und zukünftig nicht mehr wettbewerbsfähig sein könnten. Dieser Entwicklung wollen Forschende im Verbundprojekt „Digitale Wertschöpfungsketten für eine nachhaltige kleinstrukturierte Landwirtschaft“ (DiWenkLa) begegnen.
Seit März 2020 erforschen sie in insgesamt 14 Teilprojekten die Möglichkeiten digitaler Technologien in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben. Dazu entwickeln sie verschiedene Technologien aus Robotik, Automation sowie Sensortechnik – auch im Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz – weiter und testen sie in der Praxis.
„Diese digitalen Technologien können nicht nur den Arbeitsaufwand reduzieren und die Erträge des Betriebs stabilisieren. Sie tragen auch zum Schutz von Umwelt und Natur sowie zum Tierwohl bei und reduzieren den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“, betont Prof. Dr. Bahrs, Projektkoordinator und Agrarwissenschaftler an der Universität Hohenheim.
Unkrautbekämpfung bei Feldgemüse durch automatisiertes mechanisches Hacken
So lassen sich beispielsweise Pflanzenschutzmittel einsparen, wenn die Betriebe auf eine automatisierte mechanische Unkrautbekämpfung umstellen. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Roland Gerhards vom Hohenheimer Fachgebiet Herbologie.
Unkraut stellt beim Anbau von Gemüse ein großes Problem dar. Die Konkurrenz um Wasser, Licht und Nährstoffe kann nicht nur zu Ertragsverlusten führen, auch die Qualität der Produkte kann erheblich abnehmen. Anders als beim Anbau von Getreide stehen im Gemüsebau nur wenige wirksame chemische Verfahren zur Unkrautbekämpfung zur Verfügung.
Daher bekämpfen Gemüseanbauer:innen das Unkraut meist mit einer Kombination von vorbeugenden, chemischen und physikalischen Methoden, insbesondere durch Hacken. Prof. Dr. Gerhards erklärt den Nachteil dieser Vorgehensweise: „Maschinelle Hacken können die Gemüsepflanzen im Wurzelbereich verletzen. Deshalb ist immer ein größerer Sicherheitsabstand zur Pflanzenreihe erforderlich, wobei allerdings ein großer Prozentsatz an Unkraut stehen bleibt.“
Innerhalb der Reihen können Unkräuter zudem bislang kaum maschinell und gezielt bekämpft werden. „All dies führt dazu, dass bis zu 20 Prozent Restunkraut von Hand bekämpft werden müssen“, sagt Marcus Saile, Doktorand im Fachgebiet.
Sensortechnik in Kombination mit einem neuronalen Netz macht’s möglich
Zwar gebe es bereits automatische Hacken, die von einer Kamera gesteuert würden, aber noch hätten sie ihre Schwächen: „Bisherige Verfahren nutzen den Grünanteil in dem von der Kamera erfassten Sichtfeld“, erklärt er. „Viel Grün heißt für sie ‚Das ist eine Kulturpflanze‘ und wenig Grün bedeutet ‚Hacken‘. Das Problem dabei: Schnellwachsende Pflanzen, wie beispielsweise die Ackerkratzdistel, werden so nicht erkannt.“
Die Lösung: Der Einsatz von Sensortechnik in Kombination mit einem neuronalen Netz, das an der Universität Hohenheim entwickelt wurde. Mit ihm ist es möglich, der Maschine den Unterschied zwischen den einzelnen Kulturpflanzen- und Unkraut-Arten beizubringen und diese zuverlässig auseinanderzuhalten. So kann das Unkraut nicht nur zwischen den einzelnen Reihen bekämpft werden, sondern auch innerhalb. Aktuell erproben die Forschenden das Verfahren bei Eisbergsalat und Kohl in verschiedenen Praxisbetrieben.
Effizienter Pflanzenschutz mit drohnengestützten optischen Sensoren
Auf eine andere Methode setzt die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ralf Vögele vom Fachgebiet Phytopathologie an der Universität Hohenheim. Die Forschenden dort beschäftigen sich mit der Frage, wie bei Feldgemüse Krankheiten möglichst frühzeitig erkannt und Gegenmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können. „Ist beispielsweise der Befall mit einem Pilz noch nicht sehr ausgeprägt, können Pflanzenschutzmittel sehr zielgerichtet auf einzelne Pflanzen oder kleine Ackerflächen ausgebracht werden“, sagt der Wissenschaftler.
Der Clou dabei: Die Forschenden nutzen optische Sensoren, die auf Drohnen montiert sind. „Verändert sich der Zustand einer Pflanze, zum Beispiel durch den Befall mit einem Krankheitserreger oder Schädling, verändert sich auch das Spektrum des Lichts, das von der Pflanze reflektiert wird“, erklärt Christian Trautmann, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Vögele, das Prinzip dahinter.
„Durch den geringen Kostenaufwand bei Drohnenflügen ist es möglich, ein Feld über längere Zeiträume hinweg regelmäßig zu erfassen, um entsprechende Krankheitssymptome möglichst frühzeitig zu erfassen“, führt er einen entscheidenden Vorteil an. „Eine engmaschige Kontrolle ist wichtig, da sich − je nach Wetterlage − die Krankheitserreger und Schädlinge schnell ausbreiten können.“
Künstliche Intelligenz hilft, Befall frühzeitig zu erkennen
Drohnebasierte Aufnahmen erlauben zudem eine sehr hohe Auflösung: So sind die Hohenheimer Forschenden in Lage, sogar den Befall von einzelnen Pflanzen bzw. einzelnen Getreideähren zu erkennen. Möglich wird dies auch durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), die mit Hilfe Tausender von Trainingsdaten gelernt hat, befallene Pflanzen auch unter Praxisbedingungen zuverlässig zu erkennen.
Dabei liegt der Fokus hauptsächlich auf Kohl und Salat, die auf der Filderebene bei Stuttgart angebaut werden. In der Verlängerung sollen zusätzliche Kulturen inkl. Getreide aufgenommen werden. Die Erkennung funktioniert zum jetzigen Zeitpunkt recht zuverlässig für Pilze und Bakterien, aber auch bei Spinnmilben.